Warum tun die IS-Kämpfer den jesidischen Frauen extreme Gewalt an?
Das prinzipielle Ziel solcher Verbrechen ist es, möglichst vielen Leuten Angst einzuflößen. Im Gegensatz zu der Angst, die die diktatorischen Regime unter Saddam Hussein, Gaddafi oder Assad erzeugten, zielt die Strategie des IS nicht nur darauf ab, die eigenen Landsleute einzuschüchtern. Es geht darum, eine globale Angst zu schüren. Sie beruht auf der Drohung, dass man die Opfer überall aufspüren und töten kann. Der IS sieht sein Ziel darin, mit diesem brutalen Vorgehen die gesamte westliche Welt einzuschüchtern und zu konvertieren – zu einem zwanghaften Islam.
Das ist kein neues Phänomen.
Richtig. Der Islam hat schon von Beginn an Menschen durch Kriege zwangskonvertiert. Wir wissen aus den Forschungsdaten, dass in den vergangenen Jahrhunderten allein 1,8 Millionen Jesiden zwangskonvertiert und etwa 1,2 Millionen umgebracht worden sind, weil sie sich einer Zwangskonvertierungen widersetzt haben. Die Jesiden haben zwar ein religiöses Buch wie den Koran oder die Bibel, was aber von radikalen Islamisten nicht anerkannt wird; sie werden als Anhänger einer „Nicht-Buchreligionen“ als Ungläubige angesehen. Diese sind für sie keine Menschen. Wie gehen sie mit Tieren um? Sie schlachten sie. Das ist die Ideologie von der Entmenschlichung von Menschen.
Was kann man dagegen tun?
Die Islamisten sind nicht dialogbereit. Wir können mit ihnen in keinen Austausch treten über humane Prinzipien oder universelle Menschenrechte oder philosophische und moralische Grundeinstellungen. Das alles ist bei ihnen nicht vorhanden. Entweder man ist für sie oder gegen sie.
Was fasziniert junge Männer am IS?
Die jungen Männer, mit denen wir gesprochen haben, waren in der Regel keine Intellektuellen und total desorientiert. Durch den extremen Radikalismus bekommen sie eine Struktur in ihr Leben.
In diesem Jahr kommen eine Million Flüchtlinge nach Deutschland, mindestens 80 000 nach Baden-Württemberg. Müssen wir uns bald auf noch mehr Flüchtlinge einstellen?
Bestimmt. Ein Teil der Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak wird traumatisiert sein und unsere volle Unterstützung benötigen. Viele werden dauerhaft hierbleiben. Die Kernfrage lautet also: Was können wir machen, damit die Leute schnell integriert werden? Baden-Württemberg verfügt noch über Ressourcen, warum sollen wir sie nicht für die Flüchtlinge nutzen?
Manche befürchten, es kommen zu viele . . .
Als Europäer müssen wir uns fragen, inwiefern wir für die Auseinandersetzungen im Nahen Osten mitverantwortlich sind. Wir können uns nicht abkapseln und sagen: Wir wollen mit der Welt um uns herum nichts zu tun haben. Diese Zeiten sind vorbei.
Die Kommunen sind überlastet.
Gewiss, auch für die traumatisierten jesidischen Frauen fehlen noch Plätze. Immerhin haben wir schon 870, und es laufen mit einigen Kommunen Gespräche über weitere Kapazitäten. Die Flüchtlingswelle, die wir zurzeit erleben, zeigt aber, wie wichtig es ist, zielgerichtet betroffene Personen aus Kriegsgebieten zu helfen und sie gegebenenfalls – wie bei unserem Projekt für die Jesidinnen – nach Deutschland zu holen.
Doch gerade die Jesiden grenzen sich gegen andere Volksgruppen ab, beispielsweise dürfen sie nur untereinander heiraten.
In Deutschland gibt es mehr als 100 000 Jesiden, und nicht jeder ist mit einem Jesiden verheiratet. Kulturelle Veränderungen sind Teil der Migration und gehören zum Leben in einer globalen Gesellschaft. Die Jesidinnen in unserem Projekt werden selbst entscheiden, wie sie leben wollen. Das ist ihr legitimes und ureigenes Recht.