Vom Wareneinkauf, von hygienischen Vorschriften, von der richtigen Lagerung der Lebensmittel – von nichts hatte Mehmed Saritas einen blassen Schimmer. Dazu kamen die Probleme mit der Sprache: „Wie Baumaterialien auf Deutsch heißen, das wusste ich. Aber nicht, dass man Gurke Gurke nennt.“ Seine ersten Schilder beschriftete er, indem er die Buchstaben von den Kisten abmalte. „Aber ich hatte eine Mitarbeiterin, die mir unheimlich viel beigebracht und gezeigt hat.“ Bis heute nutzt er jede Pause zum Zeitunglesen, um sein Deutsch zu verbessern. Mittlerweile kennt er nicht nur die richtigen hochsprachlichen Begriffe, sondern die schwäbischen gleich noch dazu: „Krumbiera, Breschtling, Bebbeleskohl – kennst du das?“, fragt er und grinst breit.

 

„Draufgeschafft“ habe er sich alles, was man braucht, um einen Laden zu führen. Von seinem Lieferanten Rewe hat er etwa gelernt, dass die Tomaten nicht neben der Petersilie liegen sollten, und Äpfel nichts neben Bananen zu suchen haben, weil die Sachen sonst schneller verderben. Mittlerweile schreibt er auch seine Rechnungen selbst am Computer. Bei vielem anderen folgt er seinem eigenen Empfinden („Ich verkaufe nur, was ich auch kaufen würde“) – und seinen Kunden. Als er beispielsweise merkte, dass Biowaren gefragt sind, hat er sie ins Sortiment genommen. Nach türkischen Lebensmitteln sucht man dagegen fast vergebens: Im Kühlregal verliert sich eine Packung Yufka-Teig.

An sechs Tagen in der Woche fährt Saritas um 4.30 Uhr auf den Stuttgarter Großmarkt. Von dort bringt er frisches Obst und Gemüse mit, am liebsten aus seiner eigenen Umgebung. „Wenn jemand aus dem Remstal sehr gute Ware hat, warum soll ich dann nicht jemandem aus dem Remstal mein Geld geben?“ So einfach ist das für einen Einzelhändler, der sein eigener Herr geblieben ist. Jeden Morgen räumt er seine kleine Obst- und Gemüseabteilung ein, ein Drittel seines Umsatzes macht Mehmed Saritas mit dem frischen Grünzeug.

Eine Woche Urlaub im Jahr

Montag bis Freitag bleibt er bis abends um acht in seinem Laden. Stundenlang nimmt er Lieferungen entgegen, räumt Regale ein, kassiert ab. Er berät seine Kunden, welche Mandarinen am besten schmecken, und trägt ihnen die Getränkekisten zum Auto. Wer es nicht mehr selbst zu seinem Laden schafft, dem bringt er Lebensmittel zu Hause vorbei.

Seit 26. März 1996 gehört ihm das Geschäft. „Der damalige Besitzer wollte unbedingt verkaufen, er hat keine Ahnung vom Geschäft gehabt“, erzählt er – und: „Ich habe auch keine Ahnung gehabt.“ Saritas lacht lauthals. Den Einzelhandel habe er nur vom Einkaufen gekannt.

1985 kam Mehmed Saritas als 16-Jähriger nach Weiler. Zehn Jahre lang arbeitete er auf dem Bau. Erst als Hilfsarbeiter, dann als Polier. Das hatte sich so ergeben, der Vater war bereits bei derselben Firma beschäftigt gewesen. In der Türkei hatte Mehmed das Gymnasium besucht, in der zehnten Klasse aber abgebrochen, um mit der Mutter zum Vater nach Deutschland zu reisen. In der neuen Heimat ging es erst einmal ausschließlich darum, Geld zu verdienen. Damals wohnte er an der Kanalstraße, 200 Meter von dem kleinen Lebensmittelladen entfernt. Dort ging er oft nach Feierabend einkaufen, Obst und Gemüse. Dann kam die Gelegenheit, das Geschäft zu übernehmen. Mehmed Saritas hatte etwas Geld angespart, er griff zu. „Mein Onkel ist ein erfolgreicher Handelsmann“, sagt er. „Und im Koran steht, dass man sein Geld mit Handel verdienen soll.“ Ein Schwager half ihm, das Geschäft neu einzurichten.

Grünzeug ist sein Verkaufsschlager

Vom Wareneinkauf, von hygienischen Vorschriften, von der richtigen Lagerung der Lebensmittel – von nichts hatte Mehmed Saritas einen blassen Schimmer. Dazu kamen die Probleme mit der Sprache: „Wie Baumaterialien auf Deutsch heißen, das wusste ich. Aber nicht, dass man Gurke Gurke nennt.“ Seine ersten Schilder beschriftete er, indem er die Buchstaben von den Kisten abmalte. „Aber ich hatte eine Mitarbeiterin, die mir unheimlich viel beigebracht und gezeigt hat.“ Bis heute nutzt er jede Pause zum Zeitunglesen, um sein Deutsch zu verbessern. Mittlerweile kennt er nicht nur die richtigen hochsprachlichen Begriffe, sondern die schwäbischen gleich noch dazu: „Krumbiera, Breschtling, Bebbeleskohl – kennst du das?“, fragt er und grinst breit.

„Draufgeschafft“ habe er sich alles, was man braucht, um einen Laden zu führen. Von seinem Lieferanten Rewe hat er etwa gelernt, dass die Tomaten nicht neben der Petersilie liegen sollten, und Äpfel nichts neben Bananen zu suchen haben, weil die Sachen sonst schneller verderben. Mittlerweile schreibt er auch seine Rechnungen selbst am Computer. Bei vielem anderen folgt er seinem eigenen Empfinden („Ich verkaufe nur, was ich auch kaufen würde“) – und seinen Kunden. Als er beispielsweise merkte, dass Biowaren gefragt sind, hat er sie ins Sortiment genommen. Nach türkischen Lebensmitteln sucht man dagegen fast vergebens: Im Kühlregal verliert sich eine Packung Yufka-Teig.

An sechs Tagen in der Woche fährt Saritas um 4.30 Uhr auf den Stuttgarter Großmarkt. Von dort bringt er frisches Obst und Gemüse mit, am liebsten aus seiner eigenen Umgebung. „Wenn jemand aus dem Remstal sehr gute Ware hat, warum soll ich dann nicht jemandem aus dem Remstal mein Geld geben?“ So einfach ist das für einen Einzelhändler, der sein eigener Herr geblieben ist. Jeden Morgen räumt er seine kleine Obst- und Gemüseabteilung ein, ein Drittel seines Umsatzes macht Mehmed Saritas mit dem frischen Grünzeug.

Eine Woche Urlaub im Jahr

Montag bis Freitag bleibt er bis abends um acht in seinem Laden. Stundenlang nimmt er Lieferungen entgegen, räumt Regale ein, kassiert ab. Er berät seine Kunden, welche Mandarinen am besten schmecken, und trägt ihnen die Getränkekisten zum Auto. Wer es nicht mehr selbst zu seinem Laden schafft, dem bringt er Lebensmittel zu Hause vorbei.

Nur eine Woche Urlaub gönnt er sich im Jahr, dann fährt er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in die Türkei, zur Familie. Über seinen Stundenlohn darf er sich keine Gedanken machen. Das Einkommen, sagt er, „reicht zum Leben“. Große Sprünge sind nicht drin. Manchmal spielt er sogar mit dem Gedanken aufzuhören: „Aber die Leute hier lassen mich nicht.“

Es ist ein Wunder, dass Mehmed Saritas bei all der Arbeit seine gute Laune nicht verliert. Immer findet er die Zeit für einen kleinen Plausch oder für einen netten Witz. Nur einmal, acht Jahre ist das nun her, fiel er in ein Loch. „Ich hatte schlechte Gedanken.“ Er vermutete ein Burn-out-Syndrom. „Und der 55. Arzt hat dann entdeckt, dass ich einen Eisenmangel habe.“ Mittlerweile geht es ihm wieder gut. In so ein Tief will er nicht noch einmal geraten. Der Mann, der seit seiner Jugend immer nur geschafft hat, musste umdenken: „Ich habe gelernt, das Leben zu genießen“, sagt er.

Mit Hilfe eines Kunden lernte er schwimmen. Jeden Sonntag zieht er nun im Schorndorfer Hallenbad seine Bahnen. Der Wassersport tut nicht nur seiner Seele gut, sondern auch seinem strapazierten Rücken. Er gönnt sich regelmäßige Restaurantbesuche, und kürzlich war er im Weltweihnachtszirkus. Er hat sich vorgenommen, einen Englischkurs zu besuchen. Und er träumt davon, sich wieder eine Wohnung in Weiler zu suchen – seit einiger Zeit lebt er mit der Familie in Plüderhausen: „Da habe ich ein schönes Haus, aber ich fühle mich immer noch nicht wohl.“ Es zieht ihn in sein Heimatdorf. „Einen alten Baum kannst du nicht mehr woanders pflanzen“, sagt er.

Er gibt sich mit dem zufrieden, was er hat

Es ist ein Glück für die Menschen in Weiler, dass ihr türkischer Einzelhändler mittlerweile mehr an dem Ort hängt als manch alteingesessener Schwabe. Denn eigentlich würde Mehmed Saritas gerne expandieren. „Ich könnte mehr Platz gebrauchen, um die Waren zu präsentieren“, sagt er. In einem größeren Laden würde er italienische und türkische Produkte ins Sortiment aufnehmen. Das Problem: in Weiler findet sich keine geeignete Immobilie.

Also bleibt Mehmed Saritas in der Kelterstraße, gleich neben der Kirche, und gibt sich mit dem zufrieden, was er hat. „Ich kann mir alles leisten, was ich brauche“, sagt er. Und mindestens genauso wichtig: „Ich kenne alle. Ich quatsche gerne mit der Kundschaft.“ Ob in einem größeren Laden noch genügend Platz für das Zwischenmenschliche wäre? Wohl kaum. Mehmed Saritas zeigt die Genesungskarte, auf der viele Kunden unterschrieben haben, als er nach einer Operation im Krankenhaus lag. Und die Tasse mit der Aufschrift „Held der Arbeit“, die er einmal zu Weihnachten geschenkt bekommen hat.

Viele am Ort wissen zu schätzen, was Mehmed Saritas alltäglich leistet. „Was würden wir ohne ihn tun?“, sagt der Ortsvorsteher Klaus Beck. Deswegen hat Mehmed Saritas auch keine Angst, wenn sich mal wieder ein Discounter im Remstal ansiedelt. Er weiß, dass er das Vertrauen seiner Kunden besitzt, und wie er es behalten kann: „Ehrlich muss man sein.“ Eigentlich ganz einfach.