Das Alte Schauspielhaus in Stuttgart zeigt Kleists Lustspiel „Der zerbrochene Krug“. Die Inszenierung stellt die Derbheit des Stücks in den Vordergrund.

Stuttgart - Sexuelle Nötigung, Veruntreuung, Amtsmissbrauch – Fehltritte, die häufig die Schlagzeilen füllen und selbstredend als unmoralisch verurteilt werden. Kann man aus diesen Themen eine Komödie bauen? Heinrich von Kleist konnte. Sein Lustspiel der „Der zerbrochene Krug“ wurde zu einem Bühnenklassiker, sein Protagonist, der Dorfrichter Adam, eine Paraderolle für große bis fulminante Schauspieler. Nun hatte das Stück im Alten Schauspielhaus Premiere.

 

Dass die Inszenierung die Derbheit des Lustspiels in den Vordergrund stellt, wird schon beim Bühnenbild (Ausstattung: Konrad Kulke) deutlich: Ein überdimensionaler Misthaufen, darauf ein paar dreckige Dielen und ein Lokus, das Ganze in Schräglage – hier stinkt etwas bis zum Himmel, und die Welt scheint aus den Fugen geraten. Der Bühnenboden öffnet sich, Dorfrichter Adam steigt Mephisto gleich aus der (Un-)Tiefe, Bierdosen werfend, angeschlagen und deutlich verwundet. Michael Hiller als Adam setzt viel Kraft und Körperlichkeit ein und bringt für den prallen Charakter der Rolle die nötige Präsenz mit.

Und gleich wieder folgt ein Beispiel für die gelungene Ausstattung, in der sich immer wieder ein Detail zu einem großen Sinnbild entwickelt: Adam wäscht seine Wunden an einer Pumpe, das Wasser sammelt sich am Bühnenrand, im Verlauf des Stückes werden die Figuren auf dem nassen Boden ausrutschen, den Halt verlieren – denn schließlich wurde alles, was ihnen im Weiteren passiert, vom Dorfrichter ausgelöst. Ob Gerichtsrat Walter (Reinhart von Stolzmann) versucht, seinen Stuhl – genau wie die Gerechtigkeit – wieder gerade zu rücken oder der Dorfrichter vom Lokus aus Gericht hält – diesen mehrdeutigen Bildern zu folgen, bereitet Vergnügen.

Viel an Kleists Wortwitz geht verloren

Was in der Inszenierung hier in Fülle vorhanden ist, fehlt ihr allerdings an anderen Stellen. So setzt der Regisseur Volkmar Kamm beinahe durchgängig auf laute Töne und Geschwindigkeit, wodurch viel an Kleists Wortwitz verloren geht – der bräuchte mehr akzentuierte Pausen, um sich voll zu entfalten. Auch den Charakteren bleibt dadurch wenig Raum, so durchläuft der Schreiber Licht (Harald Pilar von Pilchau) keinen Prozess vom Bückling zum Karrieristen, sondern bleibt durchgängig gleich. Nicht nur ihm, auch anderen Figuren bleibt eine Entwicklung verwehrt, was sie teilweise klischeehaft wirken lässt, andererseits erfüllen sie so ihre komödiantische Funktion durchaus.

Einzig die Figur der Eve (Ulla Schlegelberger) leidet unter dem Fehlen der leisen Töne, ihr rotzig-görenhaftes Spiel hat wenig mit dem von Kleist angelegten moralisch integren und sich der Liebe opfernden Gegenentwurf zu Adam gemein – mehr Verzweiflung als Wut brächte sie dem Publikum emotional näher.

Mehr komödiantisches Potenzial könnte auch der Figur des Dorfrichters entlockt werden. Doch was als Kritik gelesen werden kann, beweist im Gegenzug auch, dass die Regie stringent der Lesart des derben Lustspiels folgt.