Die Bundeswehr integriert einen holländischen Kampfverband mit 2100 Soldaten in ihre wichtige Heeresdivision für schnelle Einsätze. Nach dem Wunsch der Strategen soll das Schule machen.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Wenn Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihre niederländische Kollegin Jeanine Hennis-Plasschaert am Donnerstag das Herrenwaldstadion in Stadtallendorf besuchen, bekommen sie ein Manöver der Extraklasse geboten: Hubschrauber kreisen, Panzer und Gefechtsfahrzeuge fahren auf, Fallschirmspringer und Spezialkräfte beider Armeen führen vor, wozu sie im Nahkampf fähig sind. Das Ganze ist der Startschuss für eine neue Stufe der deutsch-holländischen Zusammenarbeit und schlägt ein international interessantes Kapitel in der Kooperation von Streitkräften auf.

 

Dass die benachbarten Armeen gemeinsame Sache machen, ist zwar nicht erst seit Aufstellung des Deutsch-Niederländischen Korps 1997 normal. Trotzdem beginnt mit der Integration der „11. Luftmobilen Brigade“ Hollands in die deutsche „Division Schnelle Kräfte“ etwas Neues. „Das vertieft die Integration, weil niederländische Truppenteile erstmals unter Führung eines originär deutschen Hauptquartiers aufgestellt werden. In dieser Qualität hat es das bisher nicht gegeben“, heißt es im Verteidigungsministerium in Berlin. „Das hat durchaus Modellcharakter.“

Heeres-Division wird von Deutschem und Holländer geführt

Tatsächlich werden beim Deutsch-Niederländischen Korps wechselnde Truppenteile beider Armeen dem Hauptquartier für eine gewisse Zeit zugeordnet – „assigniert“ heißt dies im Militärjargon. Dagegen werden in der neuen Division Schnelle Kräfte, die im Zuge der Bundeswehrreform aus den Divisionen für spezielle Operationen und für luftbewegliche Operationen hervorgegangen ist, die Holländer Bestandteil der Struktur. „Das ist keine Kooperation mehr, sondern die volle Integration eines niederländischen Kampfverbandes in die Struktur der Bundeswehr“, erläutert der Divisionssprecher.

Dies ist keine nebensächliche Operation, wie ein Blick auf die Zahlen belegt:  Ohne die Soldaten aus Holland umfasst die  neue Heeresdivision der Bundeswehr 9500 deutsche Soldaten an 16 Standorten in acht Bundesländern. Die Niederländer stellen 2100 Heeresangehörige: eine Pionier- , eine Logistik-, eine Sanitäts- und eine Instandsetzungskompanie. Geführt werden sie künftig von dem deutschen Brigadegeneral Eberhard Zorn und seinem holländischen Vize.

Es gebe zwar keinen Automatismus, dass die niederländischen und deutschen Teile der Division künftig gemeinsam in Einsätze gingen, erklärt der Divisionssprecher, die politische Zustimmung beider Nationen vorausgesetzt wäre es jedoch möglich. „Die Integration wird unsere Fähigkeiten verstärken und unsere Flexibilität erhöhen“, setzt er hinzu. Nicht uninteressant ist dabei, dass die Holländer im Bedarfsfall auch (die bei internationalen Missionen stets knappen) Transportkapazitäten in Gestalt von 29 Apache-Kampfhubschraubern, 14 Chinook- und 20 NH 90-Transporthubschraubern aufbieten können. Integriert werden diese allerdings nicht in die deutsche Division.

Ex-Minister Rühe sieht eine Chance für mehr Solidarität

Interessant ist die neue Tiefe dieser Zusammenarbeit, weil nahezu alle westlichen Staaten – egal ob in der EU oder in der Nato – ihre Militärausgaben kürzen, die Fähigkeiten zur weltweiten Krisenintervention und zur Bündnisverteidigung aber eher ausbauen müssen. Deshalb haben die Stichworte von der schlauen Verteidigung („smart defence“) und vom Bündeln beziehungsweise gemeinsamen Nutzen militärischer Strukturen („Pooling and Sharing“) bei Sicherheitskonferenzen seit Jahren eine wachsende Konjunktur. Eine Schlüsselfrage ist, wie sichergestellt werden kann, dass solche integrierten Militäreinheiten auch eingesetzt werden können. Die verlässliche Nutzbarkeit der gemeinsamen Militäreinheiten zu garantieren ist die zentrale Herausforderung. Wird die Regierung in Den Haag immer zustimmen, wenn Berlin die gemeinsame Division braucht? Und werden es im umgekehrten Fall Bundesregierung und Bundestag tun?

Kaum ein aktiver Politiker bringt den Zwang zu integrierten Militärstrukturen so deutlich auf den Punkt wie der frühere Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU), der zurzeit eine Kommission zur Weiterentwicklung der deutschen Parlamentsbeteiligung leitet: „Die einzige Möglichkeit, ohne zusätzliches Geld zu mehr militärischen Fähigkeiten zu kommen, ist mehr Kooperation“, sagt er nach der ersten Sitzung der Expertenrunde. Er appelliert, den Fakt nicht als einseitige Abhängigkeit, sondern als „Chance für mehr Solidarität“ zu begreifen. Rühe sieht die deutsche Parlamentsbeteiligung nicht als unüberwindliches Hindernis und den Weg als alternativlos. Diese Erkenntnis haben die Niederlande schon radikal umgesetzt: vor drei Jahren beschloss die Regierung in Den Haag, auf Kampfpanzer zu verzichten. Dabei würden die, wie selbst Rühe betont, gebraucht, wenn eine Nation vom Nachbarn angegriffen wird oder selbst angreifen will.