Es geht um Prestige und viel Geld. Doch im Rennen um das Deutsche Internet-Institut, rügen SPD und FPD, schlafe die Landesregierung. Tatsächlich kam ein Brief von Ministerpräsident Kretschmann verdächtig spät.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Verschläft die grün-schwarze Landesregierung die Chance, das geplante Deutsche Internet-Institut nach Baden-Württemberg zu holen? Diese Sorge hegen die Oppositions-Fraktionen von SPD und FDP nach einem Bericht der Stuttgarter Zeitung über das verhaltene Engagement des Landes. Beide Fraktionen werfen den Spitzen der Regierung vor, die Bewerbung von Karlsruhe nicht angemessen zu unterstützen. Daher drohe dem Land der Zuschlag für die prestigeträchtige und mit bis zu 50 Millionen Euro Bundesmitteln ausgestattete Einrichtung zu entgehen. Das Institut soll die Folgen der Digitalisierung umfassend erforschen.

 

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Stellvertreter Thomas Strobl (CDU) machten sich derweil für das Konsortium rund um das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) stark. Es steht in Konkurrenz zu Verbünden aus vier anderen Bundesländern, die sich in der ersten Runde durchgesetzt hatten. Eine zentrale Vorentscheidung fällt am Donnerstag nächster Woche, wenn eine Jury die fünf Konzepte begutachtet. Das letzte Wort hat danach das Bundesbildungsministerium von Johanna Wanka (CDU). Während andere Bundesländer das Projekt zur Chefsache machten und Zusatzmittel in Millionenhöhe in Aussicht stellten, wurde es in Baden-Württemberg eher nachrangig behandelt; zuständig ist das Wissenschaftsministerium von Theresia Bauer.

Scharfe Kritik aus der Opposition

Aus der Opposition kam nun massive Kritik an dem Vorgehen. Die SPD-Hochschulexpertin Gabi Rolland rügte es als „großes Versäumnis der Wissenschaftsministerin, diese Bewerbung des KIT nicht zur Chefsache gemacht zu haben“. Jeder wisse doch, dass solche Entscheidungen „maßgeblich auch politischer Natur sind“. Bei der Forschung zur Digitalisierung seien Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen – allesamt Mitbewerber – dem Südwesten weit voraus. Mit dem Internet-Institut gebe es nun die Chance, „mit einem Rutsch in die obere Liga der deutschen Wissenschaft vorzustoßen“, sagte Rolland; zudem gehe es um viel Geld. Das Fazit der SPD-Frau: „Das zögerliche Verhalten der Landesregierung ist nicht nachvollziehbar und zeigt einmal mehr ihren halbherzigen Umgang mit dem Zukunftsthema Digitalisierung.“

Die FDP will derweil mit einem Landtagsantrag klären, ob die Landesregierung dem Vorhaben die gebotene Unterstützung zukommen ließ; dieser wurde am Donnerstag eingebracht. „Ich hoffe inständig, dass die träge Landesregierung nun nicht dabei ist, die einmalige Gelegenheit zu verpassen, ein bundesweit einzigartiges Institut in Baden-Württemberg anzusiedeln“, sagte der Wissenschaftsexperte Nico Weinmann. Nicht nur die millionenschwere Förderung, auch die weitere Stärkung des Innovationsstandortes Karlsruhe stehe auf dem Spiel. Kretschmann und Bauer hätten es aber „verschlafen“, das KIT ausreichend zu unterstützen, monierte Weinmann. Bei der Erstellung der Projektskizze habe es dem Vernehmen nach nicht einmal finanzielle Hilfe vom Land erhalten.

Schreiben von Kretschmann kam erst spät

Das Staatsministerium hatte erklärt, die Landesregierung unterstütze den Antrag aus Karlsruhe „nachdrücklich“ und wünsche ihm viel Erfolg. In der entscheidenden Auswahlrunde habe sich Ministerpräsident Kretschmann mit einem entsprechenden Schreiben („Letter of Intent“) eingeschaltet. Darin versprach er eine „aktive Beteiligung des Landes in der Umsetzungsphase. Zudem verhieß er im „Erfolgsfall“ Hilfe bei der „Verstetigung“ des Instituts, bezifferte diese aber nicht – anders als andere Länder, die konkrete Beträge nannten. Inzwischen stellte sich heraus, dass der Brief das Datum vom Montag dieser Woche trägt. Bereits in der Vorwoche hatte die StZ nach der Rolle der Regierung bei der Bewerbung gefragt.

Der für Digitalisierung zuständige Innenminister Thomas Strobl (CDU) war in das Projekt offenbar nicht eingebunden. Auf Anfrage unserer Zeitung ließ er mitteilen, er sei mit Ministerin Bauer dazu „im Gespräch“. Auch wenn sein Ressort die Aktivitäten bündele, lägen Umsetzung und Steuerung einzelner Projekte „in den fachkundigen Händen des jeweils zuständigen Ressorts“. Strobl betonte jedoch, Kretschmann und er unterstützten die Bewerbung Karlsruhes „voll und über alle Kanäle, die uns zur Verfügung stehen“. Die herausragende Vernetzung der Allianz um das KIT habe bereits zu einer Platzierung unter den besten fünf Bewerbern geführt. „Wir sind uns auch innerhalb der Koalition einig, dass es an finanzieller Unterstützung nicht fehlen wird“, betonte Strobl.