Kein anderes Schiff haben die Hamburger so ins Herz geschlossen wie die britische „Queen Mary 2“. Zu Ehren des Schiffes werden sogar Partys veranstaltet.

Leben: Susanne Hamann (sur)

Hamburg - Die historische Kanone auf der Lindenterrasse steht bereit. Das Rohr ragt durchs gusseiserne Geländer, geradewegs auf die Elbe gerichtet. „Keine Sorge, da ist keine echte Kugel drin. Wir spielen ja nicht Schiffe versenken“, sagt Klaus Maschmann, Pyrotechniker aus Rellingen. Gleich wird zu Ehren der „Queen Mary 2“ Salut geschossen. Der Knalleffekt ist der besondere Gag der britischen Gartenparty, die das Hotel Louis C. Jacob immer zur Verabschiedung des Luxusliners ausrichtet. Die stilvolle Zeremonie ist beliebt: Die 130 Plätze sind immer ausgebucht.

 

Kein Wunder, gibt es doch kaum ein schöneres Fleckchen an der Elbe, um sehnsüchtig einem Schiff hinterherzublicken. Die von uralten Bäumen beschattete Terrasse im Hamburger Stadtteil Nienstedten erlangte einst kunsthistorische Berühmtheit, weil sie von Max Liebermann in Öl verewigt wurde. Anders als auf den Bildern des Impressionisten tragen die Tische an diesem Tag britische Fähnchen, dazu gibt es Sandwiches und Pimm’s. Der Gin-Kräuter-Likör mit Gurke wird traditionell beim Geburtstag der Königin Elizabeth II. serviert - übrigens Taufpatin der „Queen Mary 2“.

Schiffe gucken und Schiffen zuwinken ist eine beliebte Beschäftigung der Hamburger. Etwa 10 000 Pötte machen pro Jahr im Hafen der Hansestadt fest - Containerschiffe, Frachter und Kreuzfahrtschiffe. Im Jahr 2015 wird es an den drei Hamburger Kreuzfahrtterminals 160 Anläufe von Ferienkreuzern geben. Man sollte meinen, dass ein vorbeifahrender Ozeanriese bei den Elbanrainern zur Gewohnheit gehört. Aber nichts da: Wenn die „Queen Mary 2“ der britischen Reederei Cunard nach Hamburg kommt, ist der Teufel los. Bei keinem anderen Schiff geraten die steifen Hanseaten so aus dem Häuschen.

Warum bloß? „Die ,Queen Mary 2‘ ist kein schwimmendes Hotel. Das ist noch ein richtiger Ocean-Liner mit zehn Meter Tiefgang, die hält auch Windstärke 12 im November aus“, erklärt der redselige Taxifahrer auf dem Weg von Nienstedten nach Wedel. „Wahrscheinlich liegt die Begeisterung auch an der Route, die die ,Queen Mary 2‘ regelmäßig fährt. Es ist die Faszination Transatlantik“, meint Eckart Bolte.

"Der Verkehr ist zusammengebrochen"

Der 67-jährige Pensionär aus dem schleswig-holsteinischen Uetersen arbeitet in der Schiffsbegrüßungsanlage in Wedel vor den Toren Hamburgs. Hier werden ein- und ausfahrende Schiffe mit der Hymne ihres Flaggenstaates geehrt. Eckart Bolte erinnert sich noch gut an den ersten „Staatsbesuch“ der Königin der Meere im Juli 2004: „Der Verkehr ist zusammengebrochen. Dabei war es fünf Uhr morgens!“ Auch die komplette Elbchaussee bis hinunter nach St. Pauli war dicht. Die Menschen ließen kurzerhand ihre Autos stehen und gingen zu Fuß ans Ufer.

Im Blitzlichtgewitter Hunderttausender schob sich das damals nagelneue Schiff zum Liegeplatz in der Hafencity. Kapitän Paul Wright ließ die Passagiere wecken, damit die den Massenempfang beim Einlauf um 5.34 Uhr nicht verpassten. Später schrieb er in einem Brief an die Stadt: „So etwas habe ich in meinem Leben als Kapitän noch nie erlebt.“ Der Beginn einer großen Liebe. Die 345 Meter lange und 72 Meter hohe „Queen Mary 2“ war bei ihrem Stapellauf das größte Passagierschiff der Welt. Inzwischen sind amerikanische Ozeanriesen wie die „Oasis of the Seas“ das Maß aller Dinge.

Doch die Faszination für die elegante Dame aus England, die unter der Flagge der Bermudas fährt, ist geblieben. „Am Anfang war es Neugier, dann Hysterie und jetzt ist es Tradition, die ,Queen Mary 2‘ zu empfangen“, sagt Ingo Thiel. Der Hamburger hat diverse Bücher über Cunard-Schiffe geschrieben und gilt als Kenner der Traditionsreederei, die in diesem Jahr ihr 175-jähriges Bestehen feiert, allerdings inzwischen zum US-amerikanischen Carnival-Konzern gehört. Das Hotel Louis C. Jacob feiert seit deren erster Ankunft die vorbeifahrende „Queen Mary 2“.

Im Laufe der Jahre wurde das Konzept der britischen Mottopartys immer ausgefeilter - mit Leintüchern zum Winken und Salut aus der hauseigenen Kanone. „Wir haben eine alte Tradition des Hauses wieder belebt“, sagt Hoteldirektor Jost Deitmar. Ende des 18. Jahrhunderts stand genau hier am Elbufer die Konditorei des Nikolaus Paridom Burmester. In seiner Freizeit zündete der Zuckerbäcker eine selbst gebaute Kanone, um vorbeifahrende Schiffe zu begrüßen. Leider ging das gute Stück irgendwann nach hinten los. Burmester starb. Seine Witwe heiratete den vor der Französischen Revolution geflohenen Landschaftsgärtner Daniel Louis Jacques, die Familie nannte sich eingedeutscht Jacob und eröffnete 1791 eine Schankwirtschaft.

Als Erinnerung an Burmester steht noch heute eine Kanone auf der Lindenterrasse. Jost Deitmar wollte sie schon 2004 reaktivieren. Doch die Reederei hatte Bedenken. „So kurz nach den Anschlägen vom 11. September hätten das die Passagiere als Terroranschlag missdeuten und vor Schreck über Bord springen können“, erzählt der Hoteldirektor. Inzwischen ängstigt sich niemand mehr. Im Gegenteil: Wenn die Kanone mit Rauch, Feuer und Knall losgeht, winken die Kreuzfahrer an Deck begeistert, und der Kapitän antwortet sogar mit einem langgezogenen Tuten. „Das Schiffshorn ist auf ein tiefes A gestimmt“, erklärt Ingo Thiel. Nur ungefähr drei Minuten dauert es, bis die „Queen Mary 2“ die Elbchaussee Nummer 401 bis 403 passiert.

„Pomp and Circumstance“

Damit der kurze Moment nicht verpasst wird, gibt es ein ausgeklügeltes Alarmsystem. Denn die Königin ist unberechenbar und selten pünktlich. Fest steht nur: Die Ausfahrt muss bei Hochwasser erfolgen. Sonst bleibt der Ocean-Liner am Alten Elbtunnel hängen. Im Hafen meldet ein Mitarbeiter das Ablegen des Schiffes. Ein weiterer Beobachtungsposten steht am Fähranleger Teufelsbrück. Auf dessen Hinweis hin verwandelt sich die sanft dahinplätschernde Hintergrundmusik aus Songs von Robbie Williams oder Michael Bublé zur bombastischen Klanginszenierung. Erst tönt der Marsch „Pomp and Circumstance“ von Edward Elgar, gefolgt von „Rule Britannia“, „God Save the Queen“ und schließlich „Jerusalem“.

Zeitgleich gleitet das Schiff majestätisch vorbei. Die Gäste auf der Lindenterrasse halten die vom Hoteldirektor persönlich ausgeteilten Liedtexte in der Hand, singen mit Inbrunst, winken mit den Leintüchern und verdrücken die eine oder andere Träne. Ein unglaublich emotionaler Moment - obwohl doch nur ein Stück Stahl vorbeifährt. Besonders feuchte Augen haben zwei Paare, die bis zum Morgen noch an Bord waren. „Zum krönenden Abschluss lassen wir hier unsere schöne Reise noch mal aufleben“, sagt Regina Roth-Songut aus Hamburg. Während sie mit ihrem Mann, der Freundin Renate Jüngst und deren Gatte auf ihre stilvolle Rückreise aus New York anstößt, läuft zu Hause die Waschmaschine mit den Urlaubsklamotten.

Alles zuckt erschrocken zusammen, als Klaus Maschmann die Kanone zündet. Dreimal knallt es ohrenbetäubend. Im Rohr steckt eine extra gebastelte Konstruktion aus drei Chemikalien. Gezündet wird elektrisch. An der ungefährlichen Mischung hat Klaus Maschmann lange getüftelt. Direktor Jost Deitmar betätigt dennoch aus Aberglauben nie selbst den Zünder. Man weiß ja, was mit dem alten Burmester passiert ist.

Infos zu Hamburg

Anreise
Hamburg wird ab Stuttgart von Germanwings ( www.germanwings.com ) oder Air Berlin ( www.airberlin.com ) angeflogen. Mit dem ICE ist man in fünf Stunden in der Hansestadt ( www.bahn.de ).

Unterkunft
Traditionell: Im Hotel Louis C. Jacob wohnt man wie in einem hanseatischen Kaufmannshaushalt. Individuelle Zimmer, teils mit Elbblick, herrliche Terrasse. DZ ab 220 Euro. Zum Einlaufen der „Queen Mary 2“ gibt es ein spezielles Arrangement: zwei Nächte im Hotel inklusive Frühstück, Teilnahme an der Farewell-Party, Besichtigung des Schiffes mit Transfer zum Hafen ab 585 Euro pro Person/DZ, www.hotel-jacob.de

Urbaner Schick im angesagten Fünfziger-Jahre-Style: Hotel Henri in der Innenstadt (St. Georg), DZ ab 138 Euro, www.henri-hotel.com

Strategisch günstig zum Schiffegucken am Kreuzfahrtterminal in der Hafencity liegt das 25 Hours Hotel. DZ ab 125 Euro, www.25hours-hotels.com

Die Königin der Meere
Die „Queen Mary 2“ macht 2015 noch dreimal in Hamburg fest: am 13. September, am 18. September und am 20. Oktober (50. Einlaufen!). Für 2016 sind fünf Besuche geplant. Infos: www.cunard.de

Die Teilnahme an einer „Queen Mary 2“-Party im Hotel Louis C. Jacob kostet 49 Euro pro Person, inklusive Fingerfood, Pimm’s, begleitenden Weinen und Wasser. Reservierung: events@hotel-jacob.de oder Telefon 040 / 82 25 55 35. Es gibt auch Feste für das Schwesterschiff „Queen Elizabeth“.

Auch im Schulauer Fährhaus in Wedel kann man die Faszination hautnah erleben: 3-Gänge-Menü „Queen Mary Special“ inklusive Weine und Wasser 49,50 Euro pro Person. www.schulauer-faehrhaus.de

Schiffe gucken
In Hamburg gibt es zahlreiche aussichtsreiche Plätzchen an der Elbe. Eine Auswahl: Leckere Kuchen und einen tollen Blick bietet sich vom Café Schmidt in Altona, Große Elbstraße 212, www.cafeschmidt.com

In der Strandperle am Elbstrand in Övelgönne kann man mit den Füßen im Sand Schiffen zusehen, www.strandperle-hamburg.de

Der Beachclub Strand Pauli bietet eine gemütliche Atmosphäre, um auf die Schiffe im Hafen zu gucken. www.strandpauli.de

Allgemeine Informationen
Hamburg Tourismus, www.hamburg.de