Beim Wandern in der Wutachschlucht suchen gestresste Büromenschen Ausgleich zur Arbeit.

Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)

Dass Georg Thoma (74) einmal ein berühmter Skispringer werden würde, ahnte niemand, als ihm in den 40er Jahren der Eintritt in das Parkhotel Adler in Hinterzarten verwehrt wurde. Dreck und Mist klebten an seinen Fußsohlen. Thoma hatte sich zuvor mit den nackten Füße in einen Kuhfladen gestellt. Alle Hirtenbuben im Dorf wärmten ihre Füße so. Thoma hatte Pilze gesammelt. Die wollte er den Gästen im Hotel verkaufen. Aber die Mistfüße waren nichts für die wertvollen Teppiche.

 

Im Skimuseum ist eine Abteilung nach ihm benannt. Dort sitzt er auf einer Ofenbank und erzählt den Gästen von früher. Hin und wieder gibt er Führungen im Museum. Von den Anfängen des Skilaufens im Schwarzwald um 1890 erzählt er und davon, warum Skifahren mehr ist als „widele, wedele“. Aufgestellt ist die Geschichte des Skilaufens in dem über 300 Jahre alten Hugenhof in Hinterzarten. Wenige Kilometer entfernt ist das Adler-Skistadion. Vier Schanzen ragen dort in den Himmel. Rothausschanze heißt die höchste. Wer die Treppen hier hochsteigt, überblickt die ganze Region. Thoma liebt diese Region. In der Glitzerwelt fühlte er sich nicht wohl. „Schließlich bin ich bei Tieren und im Wald aufgewachsen“, sagt er. Die Liebe für die Natur und die Ruhe teilt er mit Martin Schwenninger. Der Forstingenieur führt Wanderer durch die Wutachschlucht. Sie liegt unweit von Hinterzarten zwischen Titisee-Neustadt und Donaueschingen. Auf der Rothausschanze haben die meisten Menschen Handyempfang. Im restlichen Schwarzwald dagegen kaum – in der Wutachschlucht schon gleich gar nicht.

Für Schwenninger ist das einer der Gründe, warum Wandern derzeit so im Trend liegt. „Die meisten Menschen sitzen während der Arbeit die ganze Zeit vorm Computer und wollen einen Ausgleich.“ Büroarbeitern, denen vor lauter PC-Arbeit die Fitness abhandengekommen ist, können mit einer kleinen Runde einsteigen. Die Lotenbachklamm ist nur 1,5 Kilometer lang. Die Nebenschlucht gilt als Miniausgabe der Wutachschlucht, die über 33 Flusskilometer misst.

Die einzigen Geräusche, die der Wanderer in der Schlucht vernimmt, sind das Plätschern des Lotenbachs und Vögel, die zwitschern. Neben urwüchsigen Bäumen, Farnen und Wasserfällen führt der schmale Weg vorbei an Granitfelsen. Der Wanderer wähnt sich schon in einer Märchenwelt, bis ihn eine rutschige Stelle auf dem Weg wieder auf den Boden der Tatsachen holt. Rutschfestes Schuhwerk ist in den Schluchten Pflicht.

Wutach-Ranger Schwenninger bietet Gruppen ab zehn Personen kostenlose Führungen an. An die 100000 Menschen wandern im Jahr durch die Wutachschlucht. Im Herbst jedoch sind dort keine Menschenmassen mehr anzutreffen. Nicht nur deshalb gehört der Herbst neben dem Frühling zu Schwenningers Lieblingsjahreszeiten. „Es ist romantisch, wenn sich morgens nach und nach die letzten Nebelschwaden verziehen und die Sonne durchbricht“, sagt er.

An goldenen Herbsttagen ist der Schwarzwald besonders schön – aber auch danach: „Wenn die Blätter von den Bäumen verschwunden sind, geben sie den Blick auf die markanten Felsen frei“, sagt Schwenninger. Mehr als 10000 Tierarten leben in den Schluchten, über 1200 Pflanzenarten wachsen dort. Einige von ihnen sind vom Aussterben bedroht. Es sei wichtig, immer auf den Wanderwegen zu bleiben, sagt Schwenninger. Sie wurden teilweise bereits 1904 angelegt. Eine seiner Lieblingswanderrouten startet bei Boll. Dort war um 1900 ein beliebter Erholungs- und Urlaubsort für Promis aus aller Welt. „Die Frauen haben gebadet, die Männer gefischt.“ Später wurden bis auf eine gotische Kapelle alle Gebäude abgerissen. Hier und da ragen noch rostige Rohre aus dem Boden, Relikte des Luxusbadeorts.

Die Wanderroute mittleren Schwierigkeitsgrads startet beim Wanderparkplatz Boll, führt vorbei am Tannegger Wasserfall in die Felsengalerie bis hin zur Wutachmühle. Rund zehn Kilometer ist sie lang. Schwenninger plant immer drei bis vier Stunden für die Tour ein. „Ab der zweiten Klasse können auch Schulkinder problemlos mitwandern“, sagt Schwenninger.

Wer während seiner PC-Arbeit zwar Muskeln abbaut, aber dafür gut verdient, kann sich für den Wandertag im frisch renovierten Wellnesshotel Adler in Hinterzarten erholen. Das Grandhotel bietet eine Mischung aus Schwarzwälder Gemütlichkeit und moderner Noblesse. Die Spa-Landschaft eignet sich auch für verregnete Herbstwochenenden oder kalte Wintertage.

Georg Thoma ist heute übrigens per Du mit Katja Trescher, die das Hotel Adler in der 16. Generation führt. 1960 wurde Thoma in Squaw Valley Olympiasieger in der nordischen Kombination. Die Hinterzartener feierten ihren neuen Star danach wie wild. Sein Vater jedoch musste Thoma erst überreden, bis er sich durchringen konnte, die Feierlichkeiten zu besuchen. Sie fanden im selben Hotel statt, in dem er einst Hausverbot hatte.

Hinterzarten

Die Wutachschlucht
In der Schlucht zwischen Titisee-Neustadt und Donaueschingen kann man das ganze Jahr über wandern, außer bei Schnee und Eis. Führungen vermittelt die Touristinformation Bonndorf (Telefon 07703/7607) oder das Forstrevier Boll (Telefon 07703/919412). Infos: www.wutachschlucht.de.

Der Hochschwarzwald
In über 200 Unterkünften im Hochschwarzwald bekommen Gäste die sogenannte Hochschwarzwald-Card, sobald sie zwei Nächte oder länger dort übernachten. Damit können sie den Nahverkehr für Ausflüge nutzen und weitere Führungen, Ausstellungen oder Freizeitaktivitäten umsonst oder ermäßigt besuchen. Infos unter www.hochschwarzwald-card.de, Telefon 07652/12060.

Hinterzarten
Führungen im Skimuseum sind das ganze Jahr über möglich. Anfragen sind an die Telefonnummer 07652/982192 zu richten, oder an info@schwarzwaelder-skimuseum.de. Der Eintritt kostet für Erwachsene 3,50 Euro, für Kinder bis 16 Jahre nichts. Ubernachtungsmöglichkeiten gibt es etwa im Parkhotel Adler (DZ ab 240 Euro): www.parkhoteladler.de. Auf dem Urbanshof können Familien in einem Öko-Schwarzwaldhaus übernachten (ab 45 Euro). Infos unter www.urbanshof.de.