Die deutsche Nationalelf hat die Türkei in der EM-Qualifikation 3:1 geschlagen. Am Dienstag kann die Krönung gegen Belgien gelingen.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Istanbul - Eigentlich hätte Joachim Löw das abendliche Geschehen in aller Ruhe verfolgen können. Denn schon vor dem Anpfiff stand fest, dass die deutsche Nationalmannschaft bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine dabei sein wird. Dennoch war der Bundestrainer sehr aufgeregt. Erstens ist eine Partie in Istanbul etwas Besonderes für ihn, da er dort in der Saison 1998/99 den Traditionsverein Fenerbahce betreute. Und zweitens will Löw mit seinem Team einen Rekord aufstellen. Noch nie hat eine DFB-Auswahl alle zehn Qualifiaktionsspiele für ein großes Turnier gewonnen. Jetzt ist die Chance da. Das 3:1 in der Türkei war der neunte Sieg in der neunten Begegnung. Nun fehlt nur noch ein Erfolg am Dienstag gegen Belgien.

 

So ging es am Bosporus trotz der entspannten Ausgangslage hoch her. Für die Spieler war es eine Gelegenheit, sich für die EM zu empfehlen und zu beweisen, dass sie in die Mannschaft gehören. Sicher gesetzt sind momentan wohl nur Manuel Neuer im Tor, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller und Mesut Özil, der gestern wegen einer Achillessehnenreizung ausfiel. Die anderen sechs Positionen sind offen und dürften das in den meisten Fällen vermutlich auch noch länger bleiben. Ein harter Konkurrenzkampf läuft. Dies ist das Fazit der Entwicklung in den vergangenen Monaten, in denen es Löw geschafft hat, mehrere junge Spieler an das Team heranzuführen - speziell Mario Götze, der Özil ersetzte. Das macht Hoffnung für 2012. Aber obwohl die deutsche Elf nie Gefahr lief, den Sprung zur EM zu verpassen, gibt es noch genügend Arbeit, um das von Löw ausgerufene Ziel Titelgewinn zu erreichen. Das zeigte sich auch in Istanbul.

Verstärkte Bayern-Auswahl

Es war eine verstärkte Bayern-Auswahl, die der Bundestrainer aufs Feld schickte. Gleich sieben Profis des Rekordmeisters standen in der Anfangsformation - ein klarer Fall von Blockbildung also. Im Gegensatz zur deutschen Elf standen die zuvor zu Hause seit zweieinhalb Jahren ungeschlagenen Türken unter dem Druck, dass sie noch um ihre EM-Teilnahme bangen müssen. Entsprechend engagiert starteten sie. Neuer musste gleich sein Können aufbieten, um gegen Altintop zu retten (5.). In dieser Szene offenbarte sich wieder der Schwachpunkt der deutschen Mannschaft - die Defensive und vor allem die Innenverteidigung, in der die Abstimmung zwischen Per Mertesacker und Holger Badstuber nicht stimmte. Das ist wohl das größte Problem, das Löw bis zur EM lösen muss.

Eine Stärke ist dagegen die Ballsicherheit, die zuletzt bisweilen fast schon ein bisschen an die Staffetten des amtierenden Welt- und Europameisters aus Spanien erinnerte. Das ist die Handschrift von Löw. Allerdings beschränkte sich die Dominanz gestern zunächst weitgehend auf die Räume rund um den Mittelkreis. Nach vorne fehlte die Durchschlagskraft, auch weil sich die Türken oft fast vollständig in die eigene Spielhälfte zurückzogen und so kaum Platz für überraschende Angriffszüge ließen.

Die Blockbildung funktioniert

Selbst wurden die Gastgeber aber auch immer wieder aktiv. So hatte nach Altintop auch Selcuk den Führungstreffer auf dem Fuß, aber er vergab nach einer schnell vorgetragenen Kombination (29.) - wobei die linke deutsche Seite mit Lahm und Lukas Podolski nicht nur bei dieser Aktion nicht im Bilde war. Die Elf von Löw benötigte zwar 35 Minuten bis zu ihrer ersten Chance, aber die wurde dafür dann sofort genutzt. Nach einem weiten Abwurf von Neuer passte Müller zu Mario Gomez, der perfekt vollendete. Das war absolute Weltklasse von allen drei Spielern.

Damit sammelte Gomez erneut Pluspunkte - wie Jerome Boateng rechts in der Viererkette. Und auch Götze bewies nach 66 Minuten sein Talent, als er das 2:0 von Müller vorbereitete. Kurioserweise war der übrigens auch als Torwart vorzügliche Neuer mit einem weiten Pass auf Götze an diesem Tor genauso beteiligt wie zuvor am 1:0.

Diese Geniestreiche genügten, um die Fronten zu klären, selbst wenn die Türken durch Hakan Balta verkürzten (79.). Für den Endstand sorgte Schweinsteiger per Foulelfmeter (86.). Drei Treffer durch drei Bayern-Spieler - die Blockbildung funktionierte also. Nun muss Löw noch einmal bangen. Am Dienstag gegen Belgien dürfte der Bundestrainer wieder aufgeregt sein.