Die neue Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" führt vor Augen, dass sich immer mehr Menschen inszenieren.

Tübingen - Früher war der Kampf um Aufmerksamkeit eine Sache von Politikern und Prominenten. Das ist heute anders, wie der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen in seinem Essay darlegt. Heute neigen Hinz und Kunz dazu, sich zu inszenieren - mit der Folge, dass alle Bereiche der Gesellschaft mittlerweile unter Inszenierungsverdacht stehen.

Es ist nur ein triviales Beispiel, aber es offenbart doch eine Stimmung, markiert einen Trend. Wer sich beim SWR für eine journalistische Ausbildung, ein Volontariat, bewerben will, muss natürlich seine Unterlagen schicken. Neben den üblichen Anforderungen sind die angehenden Journalistinnen und Journalisten gehalten, einen "Film in eigener Sache" zu drehen. Es geht dabei nicht um Fragen von journalistischer Relevanz und gesellschaftlicher Brisanz, das Auswahlgremium verlangt vielmehr einen "Werbespot zur eigenen Person" - die effektive Selbstinszenierung als Kernkompetenz, die überzeugende Selbstbespiegelung als unabdingbare Karrierevoraussetzung.

Es gab und gibt Shows für angehende Politiker


Man mag dies für eine kuriose, aber unbedeutende Anekdote halten - und doch lässt sich hier der kategorische Imperativ der Castinggesellschaft studieren: Liefere eine Show! Längst ist der Kampf um öffentliche Aufmerksamkeit Alltag geworden und beschränkt sich nicht mehr nur auf Medienprofis und Prominente. Es werden Köche und Friseure gecastet. Überforderte Mütter, gescheiterte Restaurantbesitzer, verschuldete Handwerker und vereinsamte Milchbauern müssen sich - auf dem Weg zur öffentlichen Therapie in den entsprechenden Sendungen - den Regeln des Fernsehbusiness beugen. Es gibt und gab Shows für angehende Politiker ("Ich kann Kanzler!") und mit ihrem Aussehen unzufriedene Jugendliche, deren Gesicht ein Schönheitschirurg unter Kamerabeobachtung nach dem Modell von Brad Pitt oder Pamela Anderson zurechtschnitzte ("I want a famous Face"). Der Bayerische Bauindustrieverband ist dazu übergegangen, seine Stellenausschreibungen durch ein "Bau-Camp" zu ersetzen und imitiert bei der Auswahl der Maurer und Kanalbauer die Pro-Sieben-Show "Deine Chance": Drei Bewerber, ein Job. Anfang 2010 durften sich die Kandidaten in München präsentieren. "Die Castingshows", so meinte einer der Initiatoren, hätten gezeigt, "wie wichtig es ist, Bewerber in der Praxis zu erleben."