Wirklich? Sie haben doch selbst vier Kinder!
Ja, aber meine Kinder sind natürlich die liebsten der Welt.
Und die Nachbarskinder?
Kommen gleich danach . . . (lacht) Aber vielleicht sollten wir bei Dostojewskij bleiben. Der alte Stabskapitän Snegirjow, dessen Sohn Iljuscha im Sterben liegt, sagt sinngemäß: Kinder sind die Engel Gottes. Aber wenn sie alle zusammen hocken, gerade in der Schule, dann sind es Monster.
Warum?
Kinder kennen keine Regeln, sie sind Anarchisten und Egoisten. Sie denken nicht strategisch, sondern kompromisslos und hart. Wenn wir uns als Erwachsense etwas von dieser Unbedingtheit bewahren könnten, wäre das nicht schlecht, einerseits. Andererseits ist dieses rücksichtslose Denken, dieses Immer-voll-auf-die-Zwölf, auch gefährlich und im schlimmsten Fall sogar tödlich. In diesem Sinne können Kinder auch Monster sein.
Neben dieser kühnen Interpretation gehören auch markante Rollenbesetzungen zur Besonderheit des „Karamasows“. Der neunjährige Aljuscha etwa wird vom 72-jährigen Horst Mendroch verkörpert.
Ja, dieses Spiel mit den Lebensaltern ist toll. Und so etwas toll Fantastisches geht eben nur im Theater. Anders als der Film, der nach einem viel stärkeren Realismus verlangt, dürfen wir auf der Bühne ja mit der Künstlichkeit spielen. Wir tun das offensiv, schöpfen alle unsere Möglichkeiten aus und setzen dabei ganz und gar auf die Virtuosität der Schauspieler. André Jung beispielsweise spielt die ganze Zeit nichts anderes als einen Hund – auch das ist toll.
Kinder hin, Tiere her: Dostojewskijs Roman ist auch ein Roman über die Gottsuche. Wie groß ist Ihr Interesse an der unabweisbar religiösen Dimension des Stoffs?
Ich bin ein gläubiger Mensch, aber ich ordne mich keiner Religion zu. Wenn doch, am ehesten dem Buddhismus, zumal ich seit vielen Jahren konsequent Yoga praktiziere und meine Matte überall ausrolle, wo es irgend geht. Es gibt Energien, die wahrzunehmen wir leider verlernt haben; wir sind auch nicht alleiniger Herr unseres Schicksals – das sind zwei Sätze, an die ich auf jeden Fall glaube. Mit den monotheistischen Religionen aber habe ich es nicht so.
Sind Sie im Osten als Atheist aufgewachsen?
Nee, eben nicht. Ich bin mit Herrn Gauck aufgewachsen, als er Pfarrer in Rostock war. Während der Wendezeit war ich in seiner Gemeinde, aber da waren eigentlich alle, weil nach dem Gottesdienst von Joachim Gauck die Montagsdemo startete – und weil man damals im Osten auch die Religion neu entdeckte. Zuvor galt alles, was nicht rational und greifbar war, als suspekt. In die Kirche zu gehen, war verpönt – aber je mehr das System verrottete, desto mehr verband sich mit Kirche und Religion die Hoffnung, die politischen Konflikte friedlich lösen zu können.
Bleiben wir beim Glauben. Pünktlich zu Weihnachten wird „Ich bin dann mal weg“ in die Kinos kommen, die Verfilmung des Bestsellers von Hape Kerkeling. Und Hape Kerkeling, das werden Sie sein.
Ja, wobei mir dieser Pilger-Stoff, was die religiöse Dimension anlangt, in der Tat näher liegt als „Karamasow“. Um mit Yoga und Meditation zu neuen Erkenntnissen zu kommen, braucht es unendlich viel Zeit und Ausdauer – nicht anders als beim Pilgern von Meilenstein zu Meilenstein. Da überschneidet sich das Filmprojekt stark mit meiner Lebenspraxis.
Wie schwer ist es, einen noch lebenden Kollegen zu spielen?
Es ist jedenfalls nicht leicht. Dem Schauspieler und Komiker Hape Kerkeling gilt meine ganze Verehrung. Deshalb hatte ich bei meinem Spiel auch immer das Original vor Augen. Da nicht ins Parodistische zu verfallen, darin bestand die große Herausforderung beim Hape-Kerkeling-Mimen. Ich hoffe, ich habe sie gemeistert.