Nach der Qualifikation für die EM 2012 ist nicht nur der DFB-Präsident Theo Zwanziger begeistert über die Entwicklung der jungen Spieler.

Gelsenkirchen - Sehr gewissenhaft hat sich der blonde Mann im roten Trikot mit der Rückennummer sechs auf seinen Einsatz vorbereitet. Er dehnte sich an der Seitenlinie ausgiebig die Oberschenkel und hüpfte auf der Stelle - vergebens. Noch ehe sein Trainer ihn einwechselte, war das Spiel vorüber. Und so schlich Manuel Weber von Sturm Graz sichtbar betrübt zurück in die Kabine, obwohl er nun wirklich überhaupt keine Schuld trug am 2:6 seiner Österreicher gegen Deutschland.

 

In ungleich besserer Stimmung verließ im gleichen Moment Theo Zwanziger seinen Platz auf der Ehrentribüne. Auch er begab sich an diesem Freitagabend auf direktem Wege in die Katakomben der Schalker Arena. Unterwegs begegnete er auf der Treppe Joachim Löw und fiel dem Bundestrainer um den Hals. Dann steuerte der DFB-Präsident die Kabine an und ergriff das Wort. "Der deutsche Fußball", so ließ er wissen, "ist stolz auf diese Mannschaft."

Im Hinspiel reichte es nur zu einem 2:1

Mit acht Siegen aus acht Spielen hat sich die DFB-Auswahl auf dem schnellstmöglichen Weg für die Europameisterschaft im nächsten Jahr qualifiziert. Dass sie in Polen und der Ukraine dabei sein würde, daran hatte es schon seit Monaten keinen Zweifel mehr gegeben. Mindestens so erfreulich war daher eine andere Erkenntnis: die Mannschaft von Joachim Löw ist in der Lage, mit ihrem atemberaubenden Tempofußball auch die sogenannten kleineren Nationen auseinanderzunehmen, die sich beim Versuch der Schadenbegrenzung vornehmlich vor dem eigenen Strafraum verbarrikadieren.

Gegen England, Argentinien, Uruguay und Brasilien hat Deutschland zuletzt überzeugend gewonnen. "Es ist Vergangenheit", sagt Löw, "dass wir die Großen nicht schlagen können". Viel Mühe und "so ein paar Probleme" jedoch hatte sein Team nicht selten gegen Mannschaften wie Australien oder Aserbaidschan. In Österreich reichte es im Hinspiel in Wien nur zu einem glücklichen 2:1 - "und diesmal", sagt der neben Mesut Özil überragende Mittelfeldspieler Thomas Müller, "hätten wir sogar noch höher gewinnen können". Also bilanzierte der Bundestrainer sehr zufrieden, dass der Gegner "in jeder Beziehung absolut beherrscht und dominiert" worden sei: "Wir haben gezeigt, wie man gegen solche Mannschaften spielen muss."

Ein ständiger Prozess

Als "ständigen Prozess" bezeichnet Löw die Entwicklung seiner Mannschaft, an dessen Ende ein Titelgewinn stehen soll. Einige seiner Zwischenziele sind bereits erreicht worden: Die fußballerische Qualität hat sich seit der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr noch einmal verbessert; die Mannschaft ist variabler geworden und in der Lage, mit unterschiedlichen Spielsystemen zu agieren. Und: der Konkurrenzkampf wird immer größer.

Wie breit die Auswahl des Bundestrainers mittlerweile ist, wie dicht die jungen Nachrücker den etablierteren Kräften im Nacken sitzen - auch das hätte das Österreichspiel kaum eindrucksvoller illustrieren können: Der Leverkusener André Schürrle benötigte nach seiner Einwechslung nicht mehr als zehn Minuten, um ein Tor zu schießen, der Dortmunder Mario Götze für seinen fabelhaften Treffer zum 6:2-Endstand sogar nur drei. Von "Ergänzungsspielern", sagt Bastian Schweinsteiger, könne man in dieser Mannschaft nicht mehr sprechen.

Am Dienstag trifft die DFB-Elf auf Polen

Der Druck von hinten soll in den nächsten Monaten noch größer werden, so jedenfalls will es der Bundestrainer. In Danzig trifft die DFB-Elf am Dienstag (20.45 Uhr/ZDF) auf Polen, es ist der Auftakt einer Art Testreihe im Hinblick auf die EM, zu der auch die beiden noch verbleibenden Qualifikationsspiele in der Türkei und gegen Belgien zählen. Die Spieler aus der zweiten Reihe sollen in diesen Partien eine Chance, verdiente und hochbelastete Stammkräfte eine Verschnaufpause bekommen. Konsequenterweise schickte Löw am Tag nach dem Österreichspiel Bastian Schweinsteiger, Mesut Özil und den Torhüter Manuel Neuer vorzeitig nach Hause.

Sie sitzen im Gegensatz zu dem nachnominierten Leverkusener Lars Bender nicht im Flieger, wenn der Tross am Montagvormittag von Düsseldorf an die Ostsee weiterzieht. Als "Teil unseres sportlichen Konzepts" sieht Löw diese Maßnahme. Er habe immer gesagt, "dass die Spieler, die während einer Saison bei ihrem Verein in mehreren Wettbewerben vertreten sind, in der Nationalelf auch einmal geschont werden".

Vor den drei Stars von Real Madrid und Bayern München müssen sich die Polen am Dienstag also nicht fürchten. Zu früh sollten sie sich deshalb jedoch nicht freuen. Denn jetzt spielen eben die neuen Stars von Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen.

Fahrplan nimmt Formen an

Quartier: Der DFB-Teammanager Oliver Bierhoff kann die Planungen für die EM-Endrunde im kommenden Sommer forcieren. Priorität hat dabei die Quartierfrage. Der DFB hat bereits ein Hotel in der Nähe des möglichen Spielorts Danzig ins Auge gefasst. Offenbar steht die Abmachung mit dem einem Gutshof ähnlichen Luxuskomplex Dwír Oliwski bevor.

Termine: Der Länderspielkalender der Nationalelf nimmt konkrete Formen an. Dem Test in Polen folgt der Abschluss in der Qualifikation in der Türkei (7. Oktober) und gegen Belgien (11. Oktober). In diesem Jahr stehen dann noch Tests in der Ukraine (11. November) und wohl gegen die Niederlande (14. November) an. Für 2012 ist bis jetzt ein Vergleich in Bremen gegen Frankreich (29. Februar) vereinbart.