Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Gäbe es bei einem Streikrecht noch eine Rechtfertigung für staatliche Alimentation?
Natürlich. Das Alimentationsprinzip besagt, dass Beamte nicht für eine bestimmte Leistung, bezahlt werden, sondern dass sie sich frei von Existenzsorgen den Aufgaben ihres Amtes widmen können. Daran hat sich auch heute nichts geändert. Das Recht auf Streik ist ein Grundrecht nach dem Grundgesetz und kein Verstoß gegen die Rechtsordnung. Es kann nicht gegen die Alimentation getauscht werden. Für uns steht fest, dass das Alimentationsprinzip zum Beamtenverhältnis dazu gehört.
Wären Sie bereit, auf Statusvorteile zu verzichten – oder soll einem Teil der Beamten das Streikrecht oben drauf gegeben werden?
Bestimmte Beamtengruppen sollten das Streikrecht zusätzlich haben. Etliche Gruppen, die hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, werden jedoch davon ausgenommen sein, was auch verständlich ist.
Wie grenzen Sie die Statusgruppen dann voneinander ab: Finanzbeamte etwa?
Das ist die spannende Frage. Die Abgrenzung ist nicht immer eindeutig: es ist klar, dass etwa Polizeibeamte und der Finanzverwaltung Hoheitsträger sind. Lehrer sind es nicht. Und erst recht nicht die Beamten in privatisierten Unternehmen der Post und Bahn.
Wird es am Ende dann Beamte erster und zweiter Klasse geben – mit und ohne Streikrecht?
Natürlich haben wir dann zwei Gruppen von Beamten – zwei Klassen eher nicht. Denn es ändert sich ja nichts an der Alimentation und den anderen hergebrachten Grundsätzen für das Beamtentum. Insgesamt führt das hoffentlich wieder zu ähnlicheren Arbeitsbedingungen. Denn seit der Föderalismusreform von 2006 haben sich die Bedingungen für die Bundesbeamten und die Beamten der 16 Länder sehr auseinanderentwickelt. Alle werden unterschiedlich bezahlt.
Wie hoch ist die Streikbereitschaft der Betroffenen an der DGB-Basis?
Das lässt sich zahlenmäßig nicht ohne weiteres erfassen. Bei den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gibt es eine große Solidarität für die Koalitionsfreiheit von Beamten. Deutschland braucht sich aber auch künftig keine allzu großen Sorgen zu machen, dass Beamte täglich streiken werden. Schon heute zeigen die Streik-Statistiken, dass Beschäftigte im öffentlichen Dienst in Deutschland im europäischen Vergleich vergleichsweise selten streiken.
Glauben Sie, dass ein Urteil zu Ihren Gunsten dem DGB Vorteile im Kampf um neue Mitglieder verschafft?
Das denke ich auf jeden Fall, weil wir in der Regel im öffentlichen Dienst die Tarifverträge machen. Der Beamtenbund sitzt zwar mit am Tisch, aber die DGB-Gewerkschaften verhandeln.
Was wird der wahrscheinlichste Ausgang des Verfahrens sein?
Das kann man nicht vorhersagen. Wir bereiten uns auf alle drei Möglichkeiten vor. Das Bundesverfassungsgericht kann sich für das Streikrecht aussprechen, dieses aber auch verneinen. Als dritte Variante könnte das Gericht mindestens deutlich machen, wie die Position der Beamten durch bessere Durchsetzungsmöglichkeiten gestärkt wird.
Steht also nicht das ganze System auf dem Spiel, wenn das Gericht in Ihrem Sinne entscheidet?
Absolut nicht. Das Streikrecht ist ein Menschenrecht und daher zu gewährleisten. Außerdem kann der Staat es sich nicht leisten, auf seine Beamten zu verzichten. Und zwar aus zwei Gründen: Es ist zum einen der Kostenfaktor: Beamte sind für den Dienstherrn günstiger in der Arbeitsphase – bei den Pensionen sieht es dann wieder anders aus. Und der Beamtenstatus ist auch ein Werbemittel, um neues Personal zu gewinnen. Darauf werden Bund und Länder nicht verzichten.