Pro Jahr etwa 70.000 deutsche Frauen an Brustkrebs. Bei fünf bis zehn Prozent ist die Ursache genetisch. Kein Grund, sich wie Angelina Jolie die Brust amputieren zu lassen. Engmaschige Kontrollen sind besser.

Stuttgart - Angelina Jolie hat sich aus Angst vor Krebs vorsorglich beide Brüste abnehmen lassen. In einem Beitrag in der „New York Times“ sagte die Schauspielerin, sie habe sich zu diesem Schritt entschlossen, weil sie ein Gen namens BRCA 1 in sich trage und sich damit das Risiko erhöhe, einen Tumor in der Brust zu bekommen. Ihre Ärzte hätten bei ihr ein 87prozentiges Risiko für Brustkrebs errechnet. Sie habe sich daraufhin entschieden, sich der neunwöchigen Behandlung mit operativen Eingriffen zu unterziehen. Dann beschreibt sie detailliert die Eingriffe, denen sie sich in den vergangenen Monaten unterzogen hat: eine Operation, um die Brustwarzen erhalten zu können, eine Entfernung des Brustgewebes und anschließend die Rekonstruktion der Brüste mit Implantaten. In den USA und einigen europäischen Ländern ist dieser Eingriff gar nicht so selten.

 

Jolies Mutter ist früh an Brustkrebs verstorben

Jede zehnte Frau muss damit rechnen, an Brustkrebs zu erkranken. In Deutschland sind dies jedes Jahr 70 000 Frauen. Allerdings liegt die Ursache eines Brusttumors selten in den Genen, nur fünf bis zehn Prozent aller Brustkrebserkrankungen werden vererbt. Verantwortlich für die genetische Anfälligkeit sind vor allem drei Gene: BRCA 1, BRCA 2 und BRCA 3 (Breast Cancer). Funktionieren diese Gene, schützen sie den Körper vor Schäden durch potenzielle Krebszellen. Sind sie defekt, erhöht sich das Risiko eines Tumors um ein Vielfaches: Der Nachweis einer BRCA-Mutation bei einer Frau bedeutet, dass sich zu 80 bis 90 Prozent ein Tumor in der Brust entwickelt. Durch einen Gentest kann man Mutationen im Erbgut erkennen: Dieser Test wird in Deutschland nur im Rahmen einer ausführlichen genetischen Beratung gemacht. Mediziner empfehlen diesen Test nur, wenn in einer Familie gehäuft Brustkrebs auftritt. Schließlich kann das Wissen, mit hoher Wahrscheinlichkeit an Krebs zu erkranken, psychisch belastend sein.Angelina Jolies Mutter ist mit 56 Jahren sehr früh an Brustkrebs verstorben. Die 37jährige Schauspielerin hat ihre Familienplanung vermutlich abgeschlossen. Der Stuttgarter Gynäkologe Georg Sauer äußert daher Verständnis für die prophylaktische Maßnahme: „In dieser speziellen Situation ist die Entscheidung nachvollziehbar“, sagt der Leiter der gynäkologischen Abteilung des Robert-Bosch-Krankenhauses (RBK). Das heiße aber nicht, dass man dies auf andere Fälle übertragen könne. Vielmehr müsse in einer solchen Situation individuell für jeden Einzelnen zusammen mit Experten an ausgewiesenen, zertifizierten onkologischen Zentren entschieden werden (in Deutschland gibt es 15 derartige Zentren). Denn es sei beispielsweise ein Unterschied, ob etwa eine Frau noch mitten in der Familienplanung stecke oder diese bereits abgeschlossen habe. Zudem dürfe man nicht vergessen, dass eine auch noch so gut rekonstruierte Brust sich niemals wie das Original anfühle und auch nicht so aussehe. Ein Brustimplantat habe zudem Einfluss auf die Sexualität. Außerdem ist die prophylaktische Brustamputation (Mastektomie) nicht ganz billig: Nach Expertengaben muss man mit einigen Zehntausend Euro für beide Seiten rechnen – die Krankenkassen übernehmen diese Prophylaxe nicht automatisch.

In Deutschland gibt es ein intensives Vorsorgeprogramm

Liegt tatsächlich eine familiäre Häufung von Brustkrebs vor und weist der Gentest ein defektes Gen nach, gibt es in Deutschland ein intensives Vorsorgeprogramm. Bei dieser regelmäßigen Früherkennung werden Risikopatientinnen in den Brustkrebszentren engmaschig überwacht: Einmal im Jahr werden sie zur Mammografie und zum Kernspin geschickt und zweimal jährlich sind Ultraschalluntersuchungen vorgesehen. Wird bei diesen Untersuchungen ein Tumor entdeckt, sind die Prognosen nicht schlecht: „Mittlerweile gibt es passende Konzepte zur Behandlung. Auch bei diesem genetisch bedingten Brustkrebs“, sagt Sauer. Denn die vererbte Variante des Brustkrebses ist besonders aggressiv, vor allem bei jungen Frauen schreitet er rasch voran. In wissenschaftlichen Studien wird daher immer wieder untersucht, ob eine vorbeugende Entfernung der Brust sinnvoll ist. Die größte Studie wurde in den USA im Jahr 2010 in dem renommierten amerikanischen Ärzteblatt „Journal of the American Medical Association“ veröffentlicht: etwa 2500 Frauen, die alle ein genetisch bedingtes Brustkrebsrisiko aufwiesen, wurden in die Studie aufgenommen. 247 Studienteilnehmerinnen hatten sich zu einer vorbeugenden Brustentfernung entschlossen und wurden nach der Operation drei Jahre lang beobachtet. Keine der Frauen erkrankte während dieser Zeit an Brustkrebs.

Wird die Brust entfernt, sinkt das Tumorrisiko deutlich

Das Risiko, dennoch einen Tumor zu entwickeln, liegt auch nach der Brustentfernung bei ein bis drei Prozent. Im Gegensatz dazu wurde im gleichen Zeitraum bei sieben Prozent der Frauen, die auf eine Mastektomie verzichtet hatten, ein Tumor in der Brust diagnostiziert, schreiben die Autoren. Allerdings können die Autoren keine Angaben darüber machen, ob die nicht operierten Frauen an den regelmäßigen Früherkennungsmaßnahmen teilgenommen hatten.

Die mutierten Gene, die einen Tumor in der Brust auslösen können, verursachen unter anderem auch Eierstockkrebs. „Hier gibt es keine wissenschaftlich anerkannte Möglichkeit der Vorsorge“, erklärt der Stuttgarter Mediziner. Es gebe weder einen relevanten Tumormarker noch eine wissenschaftlich haltbare Ultraschalluntersuchung. Daher empfehle man in Deutschland Frauen, die das 40. Lebensjahr erreicht hätten, die Entfernung der Eierstöcke.

Das ist auch Angelina Jolie klar. Und sie denke, so sagt sie, auch über diese Operation nach.