Der Göppinger Mordfall Rubensweg zeigt , dass weder ein richterliches Annährerungsverbot noch ihre konsequente Zurückweisung die Frau vor dem Angeklagten schützten konnte.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Göppingen - In Ulm ist am Mittwoch der Mordprozess gegen einen 54-jährigen Mann fortgesetzt worden, der am 1. Februar seine Ex-Freundin in Göppingen mit Benzin übergossen und angezündet haben soll. Der Angeklagte schweigt weiterhin zu allen Vorwürfen. Die Schwurgerichtskammer unter dem Vorsitz des Richter Gerd Gugenhan muss sich mit Hilfe von Zeugenaussagen ein Bild von Tat und Täter machen.

 

Die 46-Jährige hat sich von dem Mann erdrückt gefühlt

Wie schwierig das ist, zeigte sich, als nun die beste Freundin der grausam getöteten 46-Jährigen befragt wurde. Über das Internet habe das Opfer den 54-Jährigen kennengelernt und ihn im März 2013 erstmals mit zu einem Stammtisch gebracht, sagte sie. Der neue Freund habe dann offenbar seinen Job im Raum Aalen verloren und sei schnell bei der 46-Jährigen in Göppingen eingezogen – so lange, bis sie ihn drängte, sich wieder eine eigene Wohnung zu suchen. Was für einen Charakter diese Beziehung gehabt habe, fragte der psychiatrische Gutachter Peter Winckler die Zeugin. „Sie hat sich erdrückt gefühlt“, war die Antwort. Offenbart habe sich das alles aber erst nach dem 26. Dezember, dem Tag, als die 46-Jährige sich vom Angeklagten trennte. Vorher sei im Freundeskreis nichts über mögliche psychische Probleme des 54-Jährigen oder Streit in der Beziehung bekannt geworden.

Der Ex-Partner hat die 46-Jährige in ihrer Wohnung bedroht und gefesselt

Am 3. Januar eskalierte die Situation zwischen dem Angeklagten und der Frau, die ihn verlassen hatte. Er soll sie in ihrer eigenen Wohnung angegriffen, gefesselt und mit einem Messer bedroht haben. Tags darauf erstattete die 46-Jährige Anzeige bei der Polizei. Auch ein Arbeitskollege des Angeklagten meldete sich. Der 54-Jährige soll ihm gegenüber am 12. und 13. Januar angedroht haben, er werde sich umbringen und die „Schlampe“ mit in den Tod nehmen.

Das Annäherungsverbot hat dem Opfer nichts genutzt

Die Justiz erwirkte am 13. Januar ein Annäherungsverbot gegen den 54-Jährigen, am 16. Januar wurde es ihm zu Hause zugestellt. Fast gleichzeitig tauchte die Göppinger Polizei beim Angeklagten auf und hielt eine sogenannte Gefährderansprache. Dafür wurde der Mann kurzzeitig in Gewahrsam genommen und anschließend in die Psychiatrie des Christophsbades Göppingen zur Begutachtung gebracht. Noch am selben Tag wurde der 54-Jährige wieder entlassen, versehen mit Tablettengaben.

Der Angeklagte hat die Frau immer wieder abgepasst

Genutzt hat all das nichts. Immer wieder passte der Angeklagte die Ex-Freundin ab, vor ihrem Mehrfamilienhaus, sogar vor der Wohnung der besten Freundin, wie diese dem Gericht erzählte. „Er wollte unbedingt mir ihr reden. Aber sie wollte das nicht.“

In der Zeit vom 26. Dezember vorigen Jahres bis dem 1. Februar haben die Ermittler nachgewiesen, dass der Angeklagte 296 Mal versuchte Kontakt zum Opfer aufzunehmen: E-Mails, SMS und Whatsapp-Nachrichten, Telefonanrufe. Das Handy des Angeklagten wurde am Morgen nach der Tat in Göppingen in einem Gebüsch nahe dem Friedhof gefunden. Den Ermittlern fiel auf, dass das Opfer während dieser Zeit 133 Mal die Kontaktversuche erwiderte, wenn auch stets mit Ablehnung.

Stalkingopfer sollen Kontaktabbruch durchhalten

Davon raten Experten Stalkingopfern strikt ab. Die Arbeitsgruppe „Stalking“ der Technischen Universität Darmstadt beispielsweise rät, niemals von einer getroffenen Entscheidung zum Kontaktabbruch abzurücken: das ermutige nur den Verfolger.

Die verordneten Tabletten hat der Mann nie genommen

Am Todestag der 46-Jährigen waren die Nachrichten nur so hin- und hergeflogen. „Bitte lass uns reden“, schrieb der 54-Jährige an das Opfer, und an eine Bekannte: „Ich bin verzweifelt, ich drehe durch.“ Kurz darauf: „Werde dem Ganzen ein Ende machen.“ Polizeibilder aus der Wohnung des Angeklagten nach dessen Festnahme zeigen Dutzende leerer Alkoholflaschen im Flur und vor dem Bett. In einer Ecke stehen nach Wochentagen beschriftete Tablettenboxen aus dem Christophsbad. Sie sind voll.