Reportage: Frank Buchmeier (buc)
Haben Sie bereut, dass Sie sich auf dieses Abenteuer eingelassen hatten?
Nein, mich hatte ja niemand gezwungen, ich wollte diese Erfahrung machen. Es war für mich ungeheuer spannend, hautnah die ersten zarten Hinweise auf eine Öffnung Chinas mitzuerleben. So wurden Helmut Kohl und Franz Josef Strauß damals in Peking empfangen. Für uns deutsche Studenten waren das Festtage, weil wir bei den beiden Staatsbesuchen in die frisch eröffnete Botschaft eingeladen wurden, wo wir statt lauwarmen Reis mit China-Kohl heiße Erbsensuppe mit Bockwürstchen zu essen bekamen. Übrigens wollte nur Strauß keinen direkten Kontakt zu uns, er hielt uns für Maoisten. Ich bin ihm kurz darauf bei der Techno-Germa, der ersten deutschen Industrieausstellung in Peking, doch noch begegnet: Ich war als VIP-Betreuerin engagiert worden und habe ihm bei der Gelegenheit deutlich gemacht, dass ich politisch völlig unabhängig sei.
War damals schon klar, dass Sie einen Erfolg versprechenden Berufsweg eingeschlagen hatten?
Nein. Von den deutschen Ordinarien interessierte sich kaum einer für das moderne China und seine Sprache. Als ich 1975 aus Peking nach Tübingen zurückgekehrt war, sollte ich meine Magisterarbeit zum Thema „Pferdestriegeln im alten China“ schreiben. Ich lehnte das ab und wechselte nach Bonn, wo ich mich mit dem Opiumkrieg beschäftigen durfte. Das reizte mich, weil die Geschehnisse aus der Kolonialzeit erklären, warum China bis heute empfindlich reagiert, wenn sich andere Staaten in seine inneren Angelegenheiten einmischen.
Sie konnten nach dem Studium fließend Chinesisch sprechen und kannten die politischen Verhältnisse. Konnten Sie diese Qualifikationen beim Start in eine berufliche Karriere nutzen?
Ich habe mich mit meinem Diplom auch in der freien Wirtschaft beworben, bekam aber zunächst nur Absagen. Da ich unbedingt Geld verdienen wollte, habe ich in einem Akupunkturzentrum in Pleidelsheim gearbeitet, in dem chinesische Ärzte tätig waren – und nebenher als China-Beraterin und Dolmetscherin für die Landesregierung. Das war zu Zeiten Hans Filbingers, der als erster baden-württembergischer Ministerpräsident chinesische Staatsgäste empfing. Durch seinen Nachfolger Lothar Späth bin ich direkt in Kontakt zum Daimler-Vorstand gekommen: Ich saß mit am Tisch, als Späth mit Spitzenleuten der heimischen Industrie diskutierte, wie man die Wirtschaftsbeziehung zu China verbessern könnte. Diese Unterredung hatte zur Folge, dass mich die Daimler-Bosse Anfang 1979 für den Aufbau des Mercedes-Benz-Lastwagengeschäfts in China engagierten.
Waren die Chinesen irritiert, dass ihnen eine Frau Lkw verkauft?
Überhaupt nicht. Eine Folge des Maoismus war, dass in den Staatshandelsbetrieben leitende Positionen häufig mit Frauen besetzt waren. Maos Motto war: Die Hälfte des Himmels gehört den Frauen! Mercedes wurde dagegen von Männern dominiert, dort musste ich mir die Anerkennung eher erkämpfen.