Der damals noch sehr junge Mikrobiologe Peter Piot hat bei der Entdeckung von Ebola Detektivarbeit geleistet. Im Interview mit dem britischen Sender BBC erzählt er von seiner einstigen Suche nach den Ursachen der tückischen Infektionskrankheit.

Johannesburg - Die lebensgefährliche Fracht ist in einer Thermosflasche angekommen. Man schrieb das Jahr 1976, im Labor des Instituts für Tropenmedizin im belgischen Antwerpen hatte an jenem Septembertag der junge Mikrobiologe Peter Piot Dienst. „Es war eine gewöhnliche Kanne, wie man sie zum Warmhalten von Kaffee benützt“, erinnert sich der Wissenschaftler, der zwei Jahrzehnte später zum ersten Exekutivdirektor des Aids-Programmes der Vereinten Nationen gekürt werden sollte und heute der Londoner Schule für Hygiene und Tropenmedizin vorsteht. Doch der Inhalt des Behälters war alles andere als ein belebendes Getränk, rekonstruiert der britische Sender BBC die Geschichte von der Entdeckung des Ebola-Virus. In der blauen Kanne steckten mehrere von kaltem Wasser kühl gehaltene Reagenzgläser, die einem Begleitschreiben zufolge Blutproben einer verstorbenen Nonne enthielten. Ein Glas war zerbrochen – sein in den Behälter geflossener Inhalt hätte den Tod des 27-jährigen Piot bedeuten können.

 

Ein gnadenloses Fieber

Das Schreiben war von einem belgischen Arzt verfasst, der über ein ihm unbekanntes, gnadenloses Fieber in seinem Einsatzort im Norden des damaligen Zaire (heute: Demokratische Republik Kongo) berichtete: Die Krankheit ende fast immer mit einem abscheulichen Tod. Die Thermosflasche hatte der Arzt einem Reisenden mitgegeben, der sie im Handgepäck nach Antwerpen brachte. Piot behandelte die Blutproben wie alle anderen. Doch als er sie schließlich unters Mikroskop legte, zuckte der Biologe zusammen. Er sah gigantische Partikel, die für Viren ungewöhnlich groß waren – höchstens mit dem nur kurz zuvor entdeckten Marburg-Virus vergleichbar. Nachfragen bei Kollegen ergaben, dass es sich nicht um das in Marburg entdeckte Virus, sondern um einen bislang noch nie gesehenen Erreger handelte. „Ich war begeistert“, sagt Peter Piot im Gespräch mit der BBC: „Es war ein richtiger Entdeckungsmoment.“

Doch die eigentliche Arbeit fing damit erst an. Zwei Wochen später saß Piot im Flieger nach Zaire: Obwohl er über Nacht reiste, machte er vor Aufregung kein Auge zu. In der Hauptstadt Kinshasa stellte der Leibarzt des Diktators Mobutu Sese Seko dem Wissenschaftler eine Propellermaschine mit einem Landrover zur Verfügung: Sie brachte Piot in das an der nördlichsten Stelle des Kongo-Bogens gelegene Städtchen Bumba. Aus Angst vor der mysteriösen Krankheit schalteten die Piloten nach der Landung nicht einmal die Motoren ab und verabschiedeten sich von Piot mit einem endgültigen Adieu statt Aurevoir. 120 Kilometer von Bumba entfernt fand Piot die Missionsstation Yambuku, die bereits vier Nonnen zu beklagen hatte – in den Dörfern der Umgebung waren Dutzende erkrankt.

Spritzen als Ansteckungsherd

Um herauszufinden, auf welche Weise sich die Krankheit verbreitete, war Detektivarbeit nötig: Die Gegend musste kartografiert, die Bevölkerung befragt, das Missionshospital geschlossen werden. Denn dort verfügten die Nonnen über lediglich fünf immer wieder verwendete Spritzen, mit der sie sämtliche ihrer Patienten infizierten. Nachdem der Ansteckungsherd identifiziert und die Erkrankten isoliert waren, ebbte die Seuche allmählich ab: Insgesamt kostete sie damals 280 Menschen das Leben. Seit jenem ersten bekannt gewordenen Ebola-Ausbruch wurden im Herzen Afrikas neun weitere registriert, denen insgesamt 850 Menschen zum Opfer fielen. Mit heute schon mehr als 700 Toten ist die derzeitige Epidemie im wesentlich dichter besiedelten Westafrika der mit Abstand schlimmste Ausbruch: Ein Medikament gegen das mörderischste Virus der Welt ist auch nach 38 Jahren nicht gefunden.