Lokales: Mathias Bury (ury)

Die heutigen Verhältnisse sind geprägt durch die EU-Osterweiterung. Die ersten Frauen, die nach 2003 die neue Freizügigkeit nutzten, kamen aus Ungarn, Tschechien und den baltischen Staaten. Seit einigen Jahren stammen die jungen Frauen, die auf der Straße und in Rotlichtobjekten anschaffen, vor allem aus Rumänien und Bulgarien – die Polizei spricht von 90 Prozent. „Die haben Billigangebote ganz neuer Art auf die Straße gebracht“, sagt Wolfgang Hohmann. Vor Jahrzehnten verdiente eine Prostituierte pro Kunde etwa 100 Mark, nun liege der Standardpreis bei 30 Euro, werde aber auch mal auf 20 Euro heruntergehandelt. „Früher haben die Frauen gut verdient“, sagt Hohmann. In einem Ermittlungsverfahren in den 1970er Jahren habe man ein Sparbuch sichergestellt, das dies belegte. „Die Prostituierte hat täglich 500 Mark eingezahlt.“

 

Auch das Verhältnis Hure und Freier war anders. „Früher haben die Huren dem Freier gesagt, was läuft“, sagt Hohmann. Sozialarbeiterin Sabine Constabel bestätigt: „Professionelles Anschaffen hieß damals: so wenig Geschlechtsverkehr wie möglich. Sich jeden Tag von zehn Männern penetrieren zu lassen wäre für die Frauen absurd gewesen.“ So habe es zum Standard gehört, dass Prostituierte die Methode des „Falleschiebens“ anwandten – den im Vergleich zu heute ohnehin verschämteren Freiern wurde der Geschlechtsverkehr nur vortäuscht. „Die gingen zufrieden raus, aber es war wenig passiert.“

Die Huren sind jünger denn je

Selbstbewusst sind heute nicht mehr die Huren, sondern die Freier und Bordellbetreiber. „Aus Freiersicht ist das eine Topgeschichte“, sagt Wolfgang Hohmann bissig. Die Prostituierten seien jünger denn je, deutsche oder gar ältere Frauen, wie man sie früher antraf, aus dem Markt verdrängt, die Preise günstig wie nie. Die jungen Osteuropäerinnen, die oft aus Romafamilien stammten, die Gewalt und Ausbeutung erlebt hätten, seien „zutiefst verunsichert“. Nicht wenige seien von den Zuhältern „erpressbar“, weil sie in ihrer Heimat Kinder haben.

Die Bordellbetreiber können die Sache, seit Rot-Grün in Berlin 2003 per Gesetz den Straftatbestand der Förderung der Prostitution abgeschafft hat, entspannter angehen. Der Nachweis, in welchem Maße Zwang gegen die Frauen angewendet wird, ist nur schwer zu führen. Anders als vor Jahrzehnten im Dreifarbenhaus, wird den Frauen heute auch vorgeschrieben, wann sie zu arbeiten, wie sie sich zu kleiden haben, ob sie etwa im Kontaktbereich eines Bordells nackt sein müssen. Wenn eine nicht pariert: Nachschub aus Osteuropa ist jederzeit garantiert.