Ihr Vater war Verlagsleiter bei der Deutschen Verlagsanstalt in Stuttgart und sehr kunstinteressiert.
Ja, wir gingen öfter in die dortigen Museen, und das hat mich natürlich inspiriert. Konkrete Förderung in dieser Richtung gab es zu Hause aber nicht. Als ich in die Schule kam, war ich dann immer bestrebt, die Tafel als meinen Malgrund zu nutzen. Ich weiß noch, in der dritten und vierten Grundschulklasse in der Silcherschule in Fellbach hatte ich einen Lehrer, den Herr Albrecht, der hat mir, während die anderen irgendwas anderes tun mussten, erlaubt, an die Tafel zu malen. Einmal durfte ich sogar die ganze Tafel vollmalen mit farbigen Kreiden. Das war damals sensationell, die waren ganz neu!
Nebenbei haben Sie sich auch schon immer viel mit Sprache beschäftigt.
Ich bin in Württemberg durch die Kinderkirche und die Bilder in der alten Bibel meiner Oma mit den alttestamentarischen Geschichten aufgewachsen – so wie Kinder heute mit Bibi Blocksberg. Gerade befasse ich mich wieder mit dem Alten Testament und bin fasziniert und schockiert gleichzeitig. Von der wunderbaren Sprache und der enormen Gewalt, die da vorkommt. Bis heute ist für mich die Geschichte, der Text sozusagen, der Motor beim Zeichnen. Selbst wenn ich reine Bilder-Bücher mache, brauche ich zuallererst eine Geschichte. Ich hatte schon früher immer Anlässe genutzt und zum Geburtstag, an Weihnachten und Ostern etwas gedichtet und gemalt für meine Eltern und meine Omas. Deshalb ist die Illustration, glaube ich, auch zwangsläufig das geworden, was sie für mich heute ist – und eben nicht das freie gemalte Bild. Angewandte Kunst halt!
Sie haben die Bücher vieler bekannter Autoren illustriert, zum Beispiel „Der Zahlenteufel“ von Hans Magnus Enzensberger oder „Das Wörterbuch der Familie Mausbock“ von A. L. Kennedy. Was muss ein Text haben, damit Sie gerne mit ihm arbeiten?
Vor allem braucht er eine Lücke, in die man hineinzeichnen kann, er braucht Platz für Bilder. Es gibt Texte, bei denen ich es vollkommen unsinnig fände, sie zu illustrieren. Generell gilt: Ich spüre beim Lesen, ob ich etwas mit dem Geschriebenen anfangen kann und möchte.
Immer wieder verfassen Sie auch eigene Text-Bild-Werke, „Das Päckchen“ etwa mit herrlich klingenden Reimen.
Das Reimen ist auch ein Erbe meines Vaters, der immerzu gereimt und uns manchmal damit genervt hat. Es hat etwas Elementares, Meditatives und auch etwas Sportliches. Ich mache es oft im Kopf, es ist eine Aufgabe, einen Reim zu finden, man steckt wie in einer Sackgasse, aus der man rausmuss. Die Vorgabe, die einen einschränkt, die Möglichkeit, durch den Zwang des Reimens auf neue Ergebnisse zu kommen, kann sehr reizvoll sein. Und durch Handicaps kann man manchmal den eigenen Klischees ausweichen.
Sie wurden schon vielfach ausgezeichnet, für Ihr Gesamtwerk bekommen Sie nun im August den Hans-Christian-Andersen-Preis verliehen. Was bedeutet Ihnen diese Ehrung?
Wenn man sich die Reihe der Preisträger anschaut, dann ist es schon eine riesige Ehre. Sie fängt ja an mit Erich Kästner und geht dann über James Krüss weiter. Weil ich schon zweimal unter den Finalisten gewesen war und es bisher nie schaffte, hatte ich mit dem Hans-Christian-Andersen-Preis eigentlich schon abgeschlossen. Umso größer war für mich jetzt die Überraschung!
Neben den Kinderbüchern pflegen Sie eine große Leidenschaft für sogenannte Erwachsenenliteratur. Aber Sie mögen die Unterscheidung eh gar nicht, oder?
Die Unterscheidung gibt es selbstverständlich, ein Text von A. L.Kennedy ist ja für Kinder einfach nicht interessant. Für mich ist aber die Frage bei allem, was ich in die Finger kriege, ob es gut gemacht ist. Und ich möchte meine Aufgabe dann auch gut machen. An wen das Resultat sich richtet, ist sekundär. Natürlich arbeite ich für Fünfjährige anders als für Menschen meines Alters. Aber ich verbiege mich dabei nicht.