Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Am Ende ist die Welt befreit von bösen Hexen. Wie schön! Zu schön? Zeitlebens hat man Otfried Preußler, wie der 2013 verstorbene Autor in seiner Biografie „Ich bin ein Geschichtenerzähler“ notierte, „das Totschlagwort von der heilen Welt um die Ohren geklatscht“. Aus heutiger Sicht schwingt da die Frage mit, welche Literatur junge Menschen brauchen. Was wollen, sollen Sechs- bis Zwölfjährige lesen? Bücher, die sich mit zerrütteten Familienverhältnissen, mit prekären Lebenssituationen auseinandersetzen? Preußler hatte da seine eigene Sicht; sie ist es auch, die seine Bücher bis heute zu Bestsellern macht. „So halte ich’s, beispielsweise“, schrieb er, „für unverantwortlich, Kinder in den für sie bestimmten Geschichten und Büchern mit Problemen zu konfrontieren, um deren Lösung gefälligst wir, die Erwachsenen, uns zu bemühen haben.“ Die Verantwortung der Erwachsenen lasse sich nicht verringern, indem man sie auf die Kinder abwälze. „Auch dies ist in unserm Land ja Mode, politische Mode geworden: unseren Kindern möglichst frühzeitig alle Schlechtigkeit der Welt vor Augen zu führen, sie mit allen nur denkbaren Schrecknissen einer möglicherweise apokalyptischen Zukunft bekanntzumachen, auf die hin doch wir, die Erwachsenen von heute, die Weichen zu stellen haben, so oder so.“

 

Wie lässt sich Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Verantwortung und die ganze Palette an Eigenschaften, die man später als soziale Kompetenz fasst, am besten begreifen? Das Angebot, das Preußler Kindern mit seinen Figuren da macht, steckt voller Menschenliebe. Nicht nur deshalb wünscht man der kleinen Hexe noch viele, viele Jahre – und noch mehr Leser!