Sie haben dem Parteichef laut applaudiert für seine Härte im Streit mit der CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie haben Seehofers „Masterplan Migration“ in aller Form beschlossen, um dem Autor den stärkstmöglichen Rückhalt zu geben. Nur einer in der mehr als hundertköpfigen Runde habe dagegen gestimmt, so heißt es – aber am Tag danach wird auch klar, dass die Aufrufe zur Mäßigung und zu pragmatischerem Vorgehen zahlreicher waren als dargestellt. Wenn’s, wie behauptet, um die Sache gehe – so entsprechende Wortbeiträge –, dann müsse man bei einem Kompromiss mit Merkel „keinen Gesichtsverlust befürchten“. Man könne in der Öffentlichkeit durchaus mit den „enormen Verdiensten“ der CSU auftrumpfen, denn nur dem Druck aus Bayern sei es zu verdanken, dass sich Europa beim Gipfeltreffen überhaupt zu so weitreichenden Fortschritten herbeigelassen habe.

 

Aber ging’s wirklich um „die Sache“? Oder wurde da der Parteivorstand als Bühne für Intrigen missbraucht? Der Chef der Landespolitischen Redaktion beim Bayerischen Rundfunk, Nikolaus Neumaier, rekonstruiert: Es habe sich um einen „Putsch von oben, einen versuchten Staatsstreich in der CSU-Zentrale“ gehandelt. Seehofer habe wieder einmal versucht, Markus Söder „auszubooten“, diesmal als möglichen Parteichef. Stattdessen sollte an diesem Abend eine schnelle Bahn für den in der Partei „unbeliebten“ Alexander Dobrindt bereitet werden, so Neumaier. Das werde sich die CSU nicht gefallen lassen: „Man musste nur in die Gesichter der CSU-Vorstandsmitglieder blicken. Da waren Ärger, Frust und Zorn zu spüren, aber kein Verständnis für Seehofer.“

Die Schmach der Entlassung

Dobrindt also gegen Söder? Dass sich die beiden eigentlich gar nicht und nur dann verstehen, wenn es gegen „die Merkel“ geht, das weiß man in der CSU seit Langem. Dass Dobrindt auch im aktuellen Streit mit der Kanzlerin zu den Zündlern gehört, gilt als sicher. Unter seiner Vorgängerin an der Spitze der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, wäre das nicht passiert, munkelt so mancher.

Vielleicht, so hört man auch, habe der Spieler Seehofer endgültig gemerkt, dass er sich bei seinem Machtkampf mit und seinen Rachefeldzug gegen Angela Merkel „hoffnungslos verzockt“ habe. Da wollte er mit einem Rücktritt nicht nur die Schmach einer Entlassung vermeiden, sondern womöglich noch schnell und definitiv einen verlässlichen Erben einsetzen. Womöglich bedeutet das ja auch etwas: Am Tag nach dem nicht so recht gelungenen „Putsch“, fehlte Seehofer zum zweiten Mal hintereinander in der gemeinsamen Fraktionssitzung der Union in Berlin. Auf seinem Platz saß: Alexander Dobrindt.