Wann kam dieser Punkt?
Baier: Es gibt im Film diese eine Szene, in der sie an ihrem neuen Roman schreibt und dann auf uns zukommt und sagt: „Das ist der neue Bestsellertitel.“ Und der Titel hat sich ganz seltsam angehört, irgendwas mit „Der Tag, an dem ich dich beim Kauen . . .“ Wir dachten natürlich, das erzählt sie uns jetzt nur. Aber dann haben wir vom Lektor erfahren, dass das tatsächlich der Arbeitstitel des Buches war. Und da haben wir langsam gemerkt, dass Sibylle eigentlich ein grundehrlicher Mensch ist.
Der Film selbst spielt ja auch mit den Grenzen des klassischen Literaturfilms. Wie kam es zu dieser besonderen Form?
Baier: Wir machen uns auch über den klassischen Literaturfilm lustig. Da würde man den Literaten zum Beispiel über eine Wiese laufen lassen und währenddessen sein Werk einlesen. Und dann kommen Experten, die referieren, wie man das jetzt zu verstehen hat. Das haben wir bewusst vermieden. Wir beobachten Sibylle nur, und da kann man, wenn man will, sehr viel von ihr entdecken.
Frau Berg legt ja im Film selbst immer wieder offen, wie bewusst ihr die Präsenz der Kamera ist. Sie haben diese Reaktion in den Film aufgenommen. Was war die Intention dahinter?
Köhler: Das Dokumentarfilmklischee aufzubrechen, zu zeigen: Ja, es wird hier gefilmt, und dadurch verändert sich etwas. Das weiß zwar eigentlich jeder, aber manchmal muss man daran erinnert werden, glaube ich.
Baier: Der Dreh war sehr fragmentarisch und auch manchmal irgendwie widerständig. Wir fanden Frau Bergs Verhalten und ihre Reaktionen auf das Filmteam und die besondere Situation wichtig, um die Person zu verstehen. Wenn man das weggelassen hätte, hätte etwas Wichtiges gefehlt.
Hat sie denn auch am Ende Einfluss auf den Film genommen?
Baier: Sie hat es von Anfang an zur Bedingung gemacht, dass sie den Film anschauen und zensieren darf. Um noch einmal auf die Frage der Kunstfigur zurückzukommen: Es gibt am Ende des Films eine wahnsinnig rührende Szene, wo sie an ihrem Gartenzaun nestelt. Ich dachte, das wird sie uns auf jeden Fall rausnehmen, weil das eine andere Sibylle ist. Aber das hat sie gar nicht gestört. Sie verkörpert also wirklich all diese Seiten.
Und was hat sie dann am Ende zensiert?
Köhler: Als ob wir das jetzt verraten würden!
Baier: Nur so viel: Sie hatte genauso viel Angst wie wir, und nachdem sie es ausgehalten hat, sich fast neunzig Minuten lang selbst zuzuschauen, hatte sie nur noch kleine, marginale Änderungswünsche.

Das Gespräch führte Sabine Fischer.