Solche Situationen kommen auch jetzt noch vor: „Menschen fragen mich, ob ich Flüchtling bin. Wenn ich erzähle, dass ich Künstlerin und Christin bin, merkt man den Leuten die Überraschung an“, sagt Deeb. Es sei absurd, wie wichtig solche Details für das Urteil der Menschen wären. „Es fühlt sich so an, als hätte eine Mutter ein Lieblingskind“, meint Deeb. Zuerst sei man das normale Kind, ein gewöhnlicher Flüchtling. Wenn die Leute dann herausfinden, dass sie Christin sei, würden die Gesprächspartner sie plötzlich behandeln „wie das Lieblingskind“. Dann aber muss Deeb irgendwann zugeben, dass sie weder an den christlichen Gott glaubt noch allgemein religiös ist. Das sei vielen Gesprächspartnern aber völlig egal.

 

Mehrere Monate nach ihrer Flucht lebt Rasha Deeb in Tübingen und besucht einen Deutschkurs. Die Künstlerin versucht, ein normales Leben zu führen. Sie fühlt sich in Deutschland sicher. „Sobald ich aber auf mein Handy schaue, die Bilder des Krieges auf Facebook sehe, dann fühlt man sich wieder wie im Krieg“, erklärt Deeb die Suche nach dem Alltag.

Als der Film vom Krieg läuft, fangen die Beine zu zittern an

Deeb konnte schon mehrmals ihre Werke der Öffentlichkeit präsentieren. Dabei steht aber nicht der kommerzielle Aspekt im Vordergrund. „Ich will mit meiner Kunst eine Botschaft vermitteln“, sagt sie. Wenn sie malt, dann seien natürlich die Schrecken des Krieges immer ein Teil von ihr und ihrer Kunst. Damit will sie Aufmerksamkeit schaffen. „Ein Teil von mir ist in Syrien gestorben.“ In Deutschland fühle sie sich wiedergeboren, die Erinnerung sei dennoch geblieben. Deeb kämpft gegen den Krieg. Ihr Projekt „Human“ setzt sich mit Adam und Eva auseinander. Adam steht für den Mann, der trotz Wohlstands Krieg treibt. Eva ist die Verkörperung eines nach Frieden strebenden Wesens. „New baby for a new war“ soll die verzehrende Kraft des Krieges zum Ausdruck bringen. Die Werke verbinden alle die Schrecken des Krieges.

Die Erinnerung an Krieg und Zerstörung sitzen noch tief. Im Deutschkurs sah Deeb kürzlich einen Film über den zweiten Weltkrieg. „Unsere Beine fingen an zu zittern, als wir die Geräusche der Bomben hörten“. Ähnliche Erlebnisse hatten viele Geflüchtete, als sie in einer Ausstellung das Bild eines Schlepperbootes sahen. Viele weinten oder standen minutenlang schweigend vor dem Bild. Aber nicht nur Flüchtlinge, auch ältere Deutsche würden den Krieg in den Bildern wiedererkennen. „Wer einen selbst Krieg gelebt hat, der ist anders als der, der ihn nur in den Medien gesehen hat“.