Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

„Was die Technik betrifft, kann jeder Balletttänzer auch die Schritte eines zeitgenössischen Tanzstücks ausführen, das hat viel mit der Verlagerung von Gewicht zu tun“, sagt Eric Gauthier und sieht das größte Handicap bei der inhaltlichen Beschäftigung mit einem Thema: „Ein klassisches Ballett dringt nicht so tief in ein Thema vor, wie ein Stück von Sasha Waltz oder Pina Bausch, die ja nicht nur den Körper, sondern den ganzen Menschen samt Seele bewegen wollen. Aber für meine Kompanie bin ich der Meinung, dass Tänzer alles anfassen und ausprobieren müssen.“

 

Verblüffend ist, dass diese Öffnung des Balletts nun wieder in Frage gestellt wird. Dass die Berliner Tänzer dies selbst tun, hat seinen Grund: Berlin war einmal eine Stadt mit drei großen Kompanien, zwei davon klassisch ausgerichtet; nach der Fusion 2004 zum Berliner Staatsballett ging von den insgesamt mehr als 210 Tänzerstellen mehr als die Hälfte verloren. Außer als Sparkuh, Sasha Waltz & Guests können davon ein Lied singen, wollen Berliner Politiker den Tanz jung und sexy. Vladimir Malakhovhat man das nicht zugetraut und dem Gründungsintendanten des Staatsballetts den Vertrag nicht verlängert. Auch seinem Nachfolger Nacho Duato gelang das erwartete Berliner Ballettwunder nicht schnell genug.

Der zweite Intendantenwechsel innerhalb kurzer Zeit verunsichert nun viele. „Als Ballettchef plant man die Zukunft und die Entwicklung von Tänzern“, sagt Eric Gauthier. „Aber die Tänzer sehen mit einem scheidenden Intendanten keine Perspektive mehr, alle laufen hier mit großen Fragezeichen auf der Stirn herum: Sollen sie die nächsten drei Jahre hart arbeiten für eine bessere Position in der Kompanie oder sind sie dann raus?“

Der Frust der Berliner Tänzer ist verständlich

So entlädt sich der Frust der Berliner Tänzer nun ausgerechnet gegenüber einer Künstlerin und einer Konstellation, die ihnen viele Türen öffnen könnte. Dass in Berlin auch nach 2019 Bühnentanz im herkömmlichen Sinn dominieren wird, also von klassisch über neoklassisch bis hin zu aktuellen Positionen, scheint in dieser Situation keiner hören zu wollen: Mehr als ein Stück von Sasha Waltz pro Saison, inklusive Neukreationen, will den Tänzern des Berliner Staatsballetts niemand zumuten. So blieb Waltz und Johannes Öhmann kein anderer Weg, als sich in einem offenen Brief an ihr zukünftiges Ensemble zu wenden: „Der Berliner Senat ist der Überzeugung, dass das Staatsballett Berlin ein zukunftsweisenderes Repertoire spielen soll. Um diesem Auftrag nachzukommen, haben wir vorgeschlagen, dass das Staatsballett Berlin einen Sprung in die Zukunft wagen muss – um eines der führenden Repertoire-Ensembles in Europa zu werden. Als neue Intendanz des Staatsballetts Berlin ab 2019 werden wir das klassische Erbe pflegen und gleichzeitig Neukreationen der besten heutigen Choreografen erarbeiten, sowohl klassische als auch zeitgenössische.“ Viel Porzellan ist zerschlagen. Wie der Berliner Kulturpolitik das Unmögliche gelingen soll, nämlich das Vertrauen ihrer Künstler zurückzugewinnen, ist ein Wunder, das wahrscheinlich länger dauern wird.

Balletttänzer, heißt es oft, können alles. Ihre Ausbildung ist so solide und umfassend, dass sie am Ende auch Akrobatisches wie Hip-Hop oder Ausdrucksstarkes wie Tanztheater nicht erschreckt. Wer die Stuttgarter Noverre-Abende kennt, wird zustimmen. Dort ist regelmäßig zu erleben, wie junge Choreografen, meist selbst Balletttänzer, ihren Kollegen die ganze Bandbreite zumuten. Das Bayerische Staatsballett haben Kritiker erst vor kurzem zur Kompanie des Jahres gewählt, weil sie sich als erste überhaupt an ein Stück Pina Bauschs gewagt hat und zeigte, dass die Kunst der Tanztheaterikone auch bei einer klassisch trainierten Kompanie funktioniert.

Steht die Öffnung des Balletts wieder in Frage?

„Was die Technik betrifft, kann jeder Balletttänzer auch die Schritte eines zeitgenössischen Tanzstücks ausführen, das hat viel mit der Verlagerung von Gewicht zu tun“, sagt Eric Gauthier und sieht das größte Handicap bei der inhaltlichen Beschäftigung mit einem Thema: „Ein klassisches Ballett dringt nicht so tief in ein Thema vor, wie ein Stück von Sasha Waltz oder Pina Bausch, die ja nicht nur den Körper, sondern den ganzen Menschen samt Seele bewegen wollen. Aber für meine Kompanie bin ich der Meinung, dass Tänzer alles anfassen und ausprobieren müssen.“

Verblüffend ist, dass diese Öffnung des Balletts nun wieder in Frage gestellt wird. Dass die Berliner Tänzer dies selbst tun, hat seinen Grund: Berlin war einmal eine Stadt mit drei großen Kompanien, zwei davon klassisch ausgerichtet; nach der Fusion 2004 zum Berliner Staatsballett ging von den insgesamt mehr als 210 Tänzerstellen mehr als die Hälfte verloren. Außer als Sparkuh, Sasha Waltz & Guests können davon ein Lied singen, wollen Berliner Politiker den Tanz jung und sexy. Vladimir Malakhovhat man das nicht zugetraut und dem Gründungsintendanten des Staatsballetts den Vertrag nicht verlängert. Auch seinem Nachfolger Nacho Duato gelang das erwartete Berliner Ballettwunder nicht schnell genug.

Der zweite Intendantenwechsel innerhalb kurzer Zeit verunsichert nun viele. „Als Ballettchef plant man die Zukunft und die Entwicklung von Tänzern“, sagt Eric Gauthier. „Aber die Tänzer sehen mit einem scheidenden Intendanten keine Perspektive mehr, alle laufen hier mit großen Fragezeichen auf der Stirn herum: Sollen sie die nächsten drei Jahre hart arbeiten für eine bessere Position in der Kompanie oder sind sie dann raus?“

Der Frust der Berliner Tänzer ist verständlich

So entlädt sich der Frust der Berliner Tänzer nun ausgerechnet gegenüber einer Künstlerin und einer Konstellation, die ihnen viele Türen öffnen könnte. Dass in Berlin auch nach 2019 Bühnentanz im herkömmlichen Sinn dominieren wird, also von klassisch über neoklassisch bis hin zu aktuellen Positionen, scheint in dieser Situation keiner hören zu wollen: Mehr als ein Stück von Sasha Waltz pro Saison, inklusive Neukreationen, will den Tänzern des Berliner Staatsballetts niemand zumuten. So blieb Waltz und Johannes Öhmann kein anderer Weg, als sich in einem offenen Brief an ihr zukünftiges Ensemble zu wenden: „Der Berliner Senat ist der Überzeugung, dass das Staatsballett Berlin ein zukunftsweisenderes Repertoire spielen soll. Um diesem Auftrag nachzukommen, haben wir vorgeschlagen, dass das Staatsballett Berlin einen Sprung in die Zukunft wagen muss – um eines der führenden Repertoire-Ensembles in Europa zu werden. Als neue Intendanz des Staatsballetts Berlin ab 2019 werden wir das klassische Erbe pflegen und gleichzeitig Neukreationen der besten heutigen Choreografen erarbeiten, sowohl klassische als auch zeitgenössische.“ Viel Porzellan ist zerschlagen. Wie der Berliner Kulturpolitik das Unmögliche gelingen soll, nämlich das Vertrauen ihrer Künstler zurückzugewinnen, ist ein Wunder, das wahrscheinlich länger dauern wird.