Auf der Stele am Synagogenplatz kann man fummeln und fingern so viel man will: Über NS-Opfer lässt sich dort leider nie „mehr erfahren“.

Synagogenplatz - Was für ein Schlamassel! Sollte ein historisch interessierter Passant den Ludwigsburger Synagogenplatz nicht nur als Abkürzung zum Bahnhof betrachten, sondern auch durch Zufall oder eine Extraportion Glück die seit einigen Monaten dort geschickt zwischen zwei Bäumen versteckte digitale Gedenk-Stele entdecken, dann dürfte die Abfolge der Reaktionen wohl so aussehen: erst die Frage „Ist das hier Commerzbank-Werbung?“ – immerhin steht die Stele unmittelbar vor der Bankfassade. Auf das vorsichtige Verneinen folgt freudige Überraschung und räumliche Annäherung an die Stele. Dort werden Schwarz-Weiß-Porträts von Menschen gezeigt. Laut unbestätigten Gerüchten handelt es sich um Opfer der NS-Diktatur. Allein: wir können es nicht wissen. Wer den Bildschirm so nutzt, wie er gedacht ist, den Touchscreen also wie einen Berührbildschirm behandelt und die Fläche mit der Aufschrift „Mehr erfahren“ berührt, löst damit Folgendes aus: gar nichts.

 

Die Berührte gibt sich ungerührt

Scheinbar unberührt blendet die Stele das nächste Porträt ein, wieder mit den Worten „Mehr erfahren“, wieder eine Berührung und – wieder nichts. Wer also mehr erfahren will, kann fingern und fummeln, kann den Touchscreen zum Tatsch-Screen ernennen, er erfährt einfach nichts. Eine Sprecherin der Stadt bestätigt, dass die Stele (mal wieder?) nicht funktioniere, weil die Oberflächenfolie nicht mit der Touchscreenfunktion kollaboriere – oder so ähnlich. Demnächst sollen Handwerker anrücken und die digital induzierte Geschichtsvergessenheit beenden.

Aufs Analoge ist halt Verlass!

Zweierlei lässt sich daraus lernen. Erstens scheint sich der aufgehübschte Synagogenplatz zu einer Art „Boulevard of broken dreams“ zu entwickeln – zu einem öffentlichen Platz, der Neugier weckt, indem er Verheißungen nicht einlöst. So wie man Stelen-Steher sieht, die auf der widerständigen Oberfläche herumtatschen, so ist auch immer wieder zu beobachten, wie Passanten testen, ob man die Koffer, auf denen Namen von Verschleppten und Ermordeten stehen, hochheben kann. Kann man natürlich nicht. Zweitens erinnern uns die neuen digitalen Anzeigetafeln am unweit gelegenen Busbahnhof täglich per Pixelschrift an den Wert des guten alten gedruckten Wortes: „Bitte Fahrplanaushänge beachten“, steht dort immer irgendwo. Übergangsweise könnte man die Digitalstele analog beschriften: „Bitte Staats- oder Stadtarchiv besuchen.“