Nicht nur die 4000 Gäste genießen regelmäßig das Ditzinger Zeltcafé. Auch für die Veranstalter ist es ein Fixtermin im Jahr, um den herum manche ihre Urlaub legen. Andere reisen mit Zelt und Wohnwagen an, um – wie die Jahre vorher auch schon – zu helfen.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Ditzingen - Öfter mal was Neues, haben sich die Organisatoren des Zeltcafés gedacht. Und so ist aus dem traditionellen Maultaschenmassaker in diesem Jahr eine Spätzleschlacht geworden – und niemand hat sich dran gestört. Im Gegenteil: kommen, trinken, essen und reden ist offenbar ein allzeit attraktives Angebot. An die 930 Portionen Spätzle hat Thomas Schwinge am Mittwochabend mit einem Schaumlöffel aus den Töpfen geschöpft. Und am Ende war fast exakt der gleiche Betrag in der Kasse wie in den Maultaschen-Vorjahren, sagt Tristan Scherrer (26). Er ist der Vorsitzende des Zeltcafé-Vereins und schätzt, dass dieses Jahr fast 4000 Besucher an den neun Abenden in die Glemsaue gekommen sind, vom 16- bis zum 76-Jährigen. Bis auf den Montagabend, wo es geschüttet hat, spielte auch das Wetter den Veranstaltern in die Hände.

 

Jedes Jahr kommt für die Organisation und Austragung dieser Ditzinger Institution eine eingeschworene Gemeinschaft zusammen. Viele legen ihren Urlaub so, dass sie dabei sein können. Oder fahren, wie die vielen Lehrer und Sozialpädagogen, die unter den Machern sind, in dieser Zeit nicht weg. Und das, obwohl das Café mitten in den Sommerferien liegt. Aber die Idee war ja vor 23 Jahren schließlich, öde Ferientristesse zu bekämpfen. Und so kommen die ganz Treuen inzwischen mit Kind und Kegel, Zelt und Wohnwagen – und campen in einer Art Wagenburg am Rande des Zeltcafés. Die gebürtige Ditzingerin Meike Allerborn (28), die mit ihrem Mann und ihren zwei und vier Jahre alten Töchtern die Wohnung gegen ein Zelt und den Kleiderschrank gegen einen Anhänger mit Plane eingetauscht hat, genießt die entspannte Atmosphäre. Die sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass jeder ganz genau weiß, was er zu tun hat, dass am Ende alle Veranstaltungen, Koch- und Trinkevents reibungslos ablaufen.

Gemischte Gefühle zum Abschied

So sieht das auch Lena König (36). Mit „Leben und leben lassen“ beschreibt sie die Stimmung. Den Charakter des Zusammenlebens auf Zeit beschreiben hier viele mit dem etwas altmodischen Begriff „wie in einer Kommune“. Lena König steht am Samstagnachmittag im Küchenwagen und bereitet Semmelknödel vor. „Wir haben ein bisschen zu viel Brot eingekauft“, sagt sie. Um 17 Uhr wird endgültig eingeteilt, wer wo seinen Einsatz am Abend hat. Auch für Jan Isecke, der schon von Anfang an dabei ist, ist das Zeltcafé noch immer „ein Fixtermin im Jahr“. Wie alle schaut er dem Festende mit gemischten Gefühlen entgegen.

Matthias Holtmann kommt nochmal zum Frühstück

Aber der tröstliche Gedanke für alle Macher ist ja, dass es auch im nächsten August wieder ein Zeltcafé geben wird. Ohnehin ist nach dem Café immer auch stets wieder vor dem Café. Erste Ideen, welche Künstler nächstes Jahr an den neun Augusttagen auf der Bühne stehen könnten, gibt es natürlich schon. Denen gefällt es offenbar mindestens so gut in Ditzingen wie den Veranstaltern. Das jedenfalls belegt die Anekdote, die Tristan Scherrer von Matthias Holtmann, dem ehemaligen SWR-Radiomoderator und Rundfunk-Urgestein erzählt. Holtmann, der als „Kultstimme des Südens“ angekündigt war und aus seinem Buch „Porsche, Pop und Parkinson“ las, tauschte erst mal seine Jacke gegen einen Zeltcafé-Bademantel ein. Am Morgen nach seinem Auftritt kam er dann gleich noch einmal nach Ditzingen, um zusammen mit den Machern zu frühstücken.