Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Im Film kommt Lang mehrmals auf die Eingangsszene zurück – um die Illusion zu brechen. Einmal steht der heutige Götz George vor dem Lager Hohenschönhausen und sagt, dass sich das, was er da sieht, überhaupt nicht mit seiner Erinnerung deckt, einer Erinnerung, die von den Erzählungen der Mutter gespeist wurde. Dann ist eine historische Aufnahme von Berta Drews zu sehen, in der sie genau von jenem Tag, an dem sie mit dem kleinen Götz ins Lager fuhr, berichtet. „George“ ist ein Film, der mehrere Wirklichkeiten zeigt, der diese konstruiert und gleichzeitig wieder dekonstruiert und es so dem Zuschauer nie erlaubt, sich in einer Sichtweise einzunisten. „Es gibt keine geschlossene Wahrheit“, sagt Lang, „Filme, die diesen Absolutheitsanspruch haben, gefallen mir nicht.“

 

Als verbindendes Element dient das Verhör Georges durch den sowjetischen Oberleutnant Bibler, dargestellt von Samuel Finzi. Anklage und Verteidigung, beides bekommt so seinen Raum. Lang blendet vom Verhörkeller zu Schlüsselmomenten in Georges letzten Lebensjahren zurück, thematisiert, wie er in den zwanziger Jahren unter linken Dramatikern wie Piscator und Brecht gearbeitet hat, wie er kurz nach der Machtergreifung Hitlers diesen als „Suppenkasper“ abtut und mit als „entartet“ deklarierten Künstlern in seiner Villa feiert. Aber man sieht auch die andere, eitle Seite: George lässt sich von den Nazis zum Intendanten des Schiller-Theaters küren, verliest dröhnend-bellend Blut-und-Boden-Parolen im Radio, macht bei Joseph Goebbels’ (von Martin Wuttke großartig gespielt) Propagandafilmen mit. Dann wiederum nimmt er jüdische Kollegen in Schutz, doch während er den einen rettet, liefert er den anderen an die Schergen aus.

Pakt mit dem Teufel

„Ich bin Schauspieler, kein Politiker“, hört man ihn im Verhör sagen. Spielen, nur darum ging es ihm. Georges aus heutiger Sicht verblüffende Einfalt weicht dann doch der Einsicht, sich schuldhaft verstrickt zu haben, doch auch diesen Schritt vollzieht er – spielend: In der Haft inszeniert er mit Mitgefangenen den „Faust“, das Stück über den Pakt mit dem Teufel.

Der Regisseur hat sich zwölf Jahre lang mit dem Stoff befasst, er sagt, er kenne jedes Dokument über Heinrich George. Mit seiner akribischen Arbeit hat er ein Glanzstück des deutschen Fernsehens geschaffen. Dass es die ARD nun am kommenden Mittwoch nicht zur Primetime, sondern erst um 21.45 Uhr sendet, einen Tag nach Götz Georges 75. Geburtstag, darf als verunglücktes Geschenk gesehen werden. Götz George wirkt bei der Präsentation des Films in Berlin zufrieden, aber müde, als sei eine große Last von ihm gefallen. George spielt seinen Vater mit Bravour, er hält ihn auf Distanz, nimmt ihn nie in Schutz und kommt ihm doch sehr nahe. „Du hast mich immer überholt, warst immer besser, besessener“, sagt er am Ende des Films in seiner schnoddrigen Art. Für seine Rolle in „George“ gilt das nicht.

Der Zuschauer muss die Puzzleteile selbst zusammensetzen

Nun ist „George“ zum Glück kein Spielfilm, nur ein Dokudrama kann mit dieser Komplexität fertig werden. Dass es aber ein herausragendes Beispiel dieses Genres ist, liegt daran, dass der Regisseur dessen formalen Spielraum voll ausreizt, ihn sogar erweitert – und dabei ein hohes Maß an Reflexion, historischer Exaktheit und filmischer Virtuosität beweist. Lang ergänzt historisches Material, Zeitzeugeninterviews und Spielszenen mit Making-of-Aufnahmen von den Dreharbeiten. So sieht man etwa wie Götz George im Götz-Theaterkostüm in der Maske sitzt. Zudem begleitet Lang die Brüder George, Götz und den acht Jahre älteren Jan Georg, dabei, wie sie an realen Schauplätzen nach der Vaterfigur fahnden.

Um der so schwer fassbaren Persönlichkeit gerecht zu werden, schüttet der Regisseur aus unterschiedlichen Baustoffen gefertigte Puzzleteile vor dem Zuschauer aus. Der fügt sie im Kopf zusammen – ohne je ein fertiges Bild zu erhalten. Leerstellen, Widersprüche bleiben. Und dennoch, und das ist die große Leistung Langs, entsteht ein rundes Werk. Es ist diese „offene, wahrhaftige Form“, wie der Regisseur im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung sagt, die Götz George überzeugt habe. Viele wollten ihn schon überreden, seinen Vater zu spielen. Vergeblich. „Alle anderen vorangegangenen Versuche sind an Ungenauigkeiten und fiktiven Überspitzungen der Figur George gescheitert“, zitiert das Filmpresseheft den Schauspieler.

Die Suche nach der Wahrheit

Im Film kommt Lang mehrmals auf die Eingangsszene zurück – um die Illusion zu brechen. Einmal steht der heutige Götz George vor dem Lager Hohenschönhausen und sagt, dass sich das, was er da sieht, überhaupt nicht mit seiner Erinnerung deckt, einer Erinnerung, die von den Erzählungen der Mutter gespeist wurde. Dann ist eine historische Aufnahme von Berta Drews zu sehen, in der sie genau von jenem Tag, an dem sie mit dem kleinen Götz ins Lager fuhr, berichtet. „George“ ist ein Film, der mehrere Wirklichkeiten zeigt, der diese konstruiert und gleichzeitig wieder dekonstruiert und es so dem Zuschauer nie erlaubt, sich in einer Sichtweise einzunisten. „Es gibt keine geschlossene Wahrheit“, sagt Lang, „Filme, die diesen Absolutheitsanspruch haben, gefallen mir nicht.“

Als verbindendes Element dient das Verhör Georges durch den sowjetischen Oberleutnant Bibler, dargestellt von Samuel Finzi. Anklage und Verteidigung, beides bekommt so seinen Raum. Lang blendet vom Verhörkeller zu Schlüsselmomenten in Georges letzten Lebensjahren zurück, thematisiert, wie er in den zwanziger Jahren unter linken Dramatikern wie Piscator und Brecht gearbeitet hat, wie er kurz nach der Machtergreifung Hitlers diesen als „Suppenkasper“ abtut und mit als „entartet“ deklarierten Künstlern in seiner Villa feiert. Aber man sieht auch die andere, eitle Seite: George lässt sich von den Nazis zum Intendanten des Schiller-Theaters küren, verliest dröhnend-bellend Blut-und-Boden-Parolen im Radio, macht bei Joseph Goebbels’ (von Martin Wuttke großartig gespielt) Propagandafilmen mit. Dann wiederum nimmt er jüdische Kollegen in Schutz, doch während er den einen rettet, liefert er den anderen an die Schergen aus.

Pakt mit dem Teufel

„Ich bin Schauspieler, kein Politiker“, hört man ihn im Verhör sagen. Spielen, nur darum ging es ihm. Georges aus heutiger Sicht verblüffende Einfalt weicht dann doch der Einsicht, sich schuldhaft verstrickt zu haben, doch auch diesen Schritt vollzieht er – spielend: In der Haft inszeniert er mit Mitgefangenen den „Faust“, das Stück über den Pakt mit dem Teufel.

Der Regisseur hat sich zwölf Jahre lang mit dem Stoff befasst, er sagt, er kenne jedes Dokument über Heinrich George. Mit seiner akribischen Arbeit hat er ein Glanzstück des deutschen Fernsehens geschaffen. Dass es die ARD nun am kommenden Mittwoch nicht zur Primetime, sondern erst um 21.45 Uhr sendet, einen Tag nach Götz Georges 75. Geburtstag, darf als verunglücktes Geschenk gesehen werden. Götz George wirkt bei der Präsentation des Films in Berlin zufrieden, aber müde, als sei eine große Last von ihm gefallen. George spielt seinen Vater mit Bravour, er hält ihn auf Distanz, nimmt ihn nie in Schutz und kommt ihm doch sehr nahe. „Du hast mich immer überholt, warst immer besser, besessener“, sagt er am Ende des Films in seiner schnoddrigen Art. Für seine Rolle in „George“ gilt das nicht.