Die Restauration an der Uhr vom Dom in Florenz sind beendet. Die Uhr ist ein technisches Wunderwerk aus dem 15. Jahrhundert. Doch die Uhr geht falsch. Sie läuft rückwärts, es fehlt ein Zeiger und die Stunden, die sie schlägt, stimmen mit keiner vernünftigen Zeitangabe überein.

Florenz - Da haben sie in Florenz mit beträchtlichem Aufwand die 580 Jahre alte Domuhr restauriert. Soeben sind sie damit fertig geworden – und nun das: Die Uhr geht falsch. Erstens läuft sie rückwärts, zweitens fehlt ein Zeiger und drittens stimmen die Stunden, die sie schlägt, nie mit irgendeiner vernünftigen Zeitangabe überein.

 

Das riecht nach Pfusch. Nach der Zerstörung eines Kulturdenkmals. Trotzdem sind sie in Florenz alle zufrieden. Denn diese Uhr stellt eine Besonderheit dar: Wenn sie falsch geht, geht sie richtig. Genauso, wie sie im Jahr 1433 als technisches Wunderwerk ausgeklügelt war und wie sie heute – als einer der ältesten noch funktionierenden Mechanismen dieser Art – wieder zum Laufen kommt.

Das monumentale Florentiner Zifferblatt mit seinem Durchmesser von sieben Metern ist im Gegensatz zu heutigen Uhren in vierundzwanzig Stundensektoren eingeteilt. Über sie kreist linksherum und in einer Runde pro Tag tatsächlich nur ein Zeiger. Und was er anzeigt, sieht man außer in Florenz nur noch am Petersdom in Rom und sonst praktisch nirgendwo mehr: die italienische Tageseinteilung, wie sie bis Mitte des 18. Jahrhunderts üblich war, nicht nur in Italien, sondern auch in Böhmen, Schlesien und Teilen Polens.

Der Tag endet bei Sonnenuntergang

Bei dieser „ora italica” (auf deutsch: „Ganzer Zeiger“) endet der Tag nicht um Mitternacht, sondern bei Sonnenuntergang, wenn die Arbeit aus Lichtmangel zwangsläufig aufhören musste, die Stadttore verschlossen wurden und in den Kirchen das „Ave Maria“ fällig war. Dieser Punkt wurde dann als 24 und zugleich null Uhr definiert. Vorteil: Wer immer eine solche Uhr zu lesen versteht, weiß, wie lange es noch hell sein wird. Nachteil: der Zeitpunkt des Sonnenuntergangs verschiebt sich im Lauf des Jahres erheblich; die Uhr muss beständig nachjustiert werden. In Florenz machen sie’s alle zwei Wochen um jeweils 15 Minuten.

Johann Wolfgang von Goethe auf seiner „Italienischen Reise” fand solche Zeiteinteilung „innigst mit diesem Volk verwebt“ – und zugleich machte er sich darüber lustig: „Ich höre z.B. in der Nacht sieben schlagen und weiß, daß Mitternacht um fünf ist. So ziehe ich die Zahl von jener ab, und habe also zwei Uhr nach Mitternacht. Will ich die Stunden nach hiesiger Weise aussprechen, so muß ich wissen, daß Mittag siebenzehn Uhr ist.“ Wenn man dies, schreibt der Geheimrat, „zum erstenmal hört, so scheint es höchst verworren; man wird es aber gar bald gewohnt und findet diese Beschäftigung unterhaltend, wie sich auch das Volk an dem ewigen Hin- und Widerrechnen ergötzt. Sie haben ohnedies immer die Finger in der Luft . . .“

Die Glocken auf dem Florentiner Campanile übrigens läuten noch heute nach dem alten Rhythmus – jedenfalls zum Tagesausklang: bei Sonnenuntergang, sowie eine Stunde davor und eine danach. Nur der bürgerliche Arbeitsbeginn am Morgen, der ist mit dem Rest der Welt standardisiert: Sieben Uhr Mitteleuropäische Zeit ist auch sieben Uhr in Florenz – und nicht irgendwas Fließendes zwischen zehn und vierzehn Uhr „ora italica“.