Donald Trump ist auf dem Weg, der Präsidentschafts-Kandidat der Republikaner zu werden. Doch wer sind die Fans des Immobilien-Milliardärs? Eine Spurensuche.

Washington - Barry Presgraves fasst seine Bewunderung für den Mann in drei Sätzen zusammen: „Er traut sich was. Er traut sich zu sagen, was sich sonst niemand traut. Ach, wissen Sie, er spricht einfach meine Sprache.“ In einem weiteren Versuch, den Besuchern in seinem Amtszimmer klarzumachen, wie die Sache aussieht, lehnt sich Presgraves nach vorne über seinen Schreibtisch und erklärt in belehrendem Ton: „Ihr da in Deutschland müsst eure Grenzen besser kontrollieren, sonst habt ihr bald mehr Muslime als Deutsche in eurem eigenen Land.“

 

Presgraves ist wie Millionen von Amerikanern von Donald Trump fasziniert. Der großsprecherische Immobilienmilliardär aus New York ist auf dem Weg, der Präsidentschaftskandidat der Republikaner zu werden. Gewinnt Trump am Dienstag die Vorwahlen in den Bundesstaaten Florida und Ohio, dann könnte er nicht mehr aufzuhalten sein. Trump ist der Liebling der Wutbürger Amerikas und das Schreckgespenst des republikanischen Establishments.

Beide Gruppen eint nicht viel. Doch beide Gruppen glauben beziehungsweise sorgen sich inzwischen, dass der populistische Unternehmer, der Ängste schürt und Vorteile bedient, vielleicht sogar zum Nachfolger von Barack Obama gewählt werden könnte. Warum nur ist das so? Ein Streifzug durch Virginia, wo Trump die Vorwahl der Republikaner gewonnen hat. Die Suche nach einer Erklärung beginnt in Luray. Die 5000 Einwohner des Städtchens am Shenandoah River haben schon bessere Zeiten gesehen. Zwar besuchen Zehntausende von Touristen die Tropfsteinhöhlen am Stadtrand und wandern im Nationalpark, aber Jobs gibt es dort nicht viele. Die Arbeitslosenquote im Page County, dessen Hauptstadt Luray ist, liegt bei 7,7 Prozent. Im US-Durchschnitt sind es derzeit nur 4,9 Prozent.

Die guten Zeiten sind vorbei

Es gab einmal eine Jeansfabrik in Luray, eine Gerberei, einige Textilunternehmen. Das waren die guten Zeiten. Aber das ist lange her, und Bürgermeister Barry Presgraves freut sich heute schon, wenn er einen neuen Friseursalon eröffnen darf oder eine Kneipe. Das bringt immerhin ein paar Jobs. Presgraves holt eine überdimensionierte, vergoldete Schere aus einem Pappkarton, damit waltet er seines Amtes und durchschneidet Bänder. Er streicht gedankenverloren darüber und sagt schließlich: „Wir brauchen einen Businessman an der Spitze der Regierung in Washington.“ Einen, der wisse, wie man Geschäfte mache, und der genügend eigenes Geld habe, um sich nicht von unterschiedlichsten Lobby-Gruppen kaufen lassen zu müssen. Da sehe er Trump gerne nach, dass er prahle und aufschneide, sagt Presgraves: „Er hat seine Fehler – wie wir alle.“

Das Städtchen Luray ist eine klassische Trump-Gemeinde. Es ist ein Ort der Unterprivilegierten und jener, die sich abgehängt und unwohl fühlen. Hier wird das wolkige Versprechen Trumps, Amerika wieder groß machen zu wollen, wörtlich genommen.

Barry Presgraves, der Bürgermeister, ist der Sprecher dieser Menschen. Er sagt, es wundere ihn nicht, dass Trump bei der Vorwahl so gut abgeschnitten habe. Der Milliardär, dessen Wahlerfolge die republikanische Partei in den USA in einen Schockzustand versetzt haben, kam in Luray auf 51 Prozent der Stimmen. Und geht es nach dem 73 Jahre alten Presgraves, dann hätten es gerne noch ein paar Prozentpunkte mehr sein dürfen. „Trump kann Amerika wieder groß machen. Es ist doch so, dass niemand mehr dieses Land respektiert.“

Wer den Bürgermeister darauf aufmerksam macht, dass Trump zwar ein erfolgreicher, doch - gelinde gesagt - windiger Geschäftsmann sei und das nicht unbedingt eine Einstellungsvoraussetzung für den Präsidentenposten sei, fängt sich einen tadelnden Blick ein. Vorsicht, soll das heißen. Presgraves, der 600 Dollar im Monat für die Arbeit als Bürgermeister erhält, legt eine kurze Sprechpause ein und sagt schließlich: „Ich bin selbst ein bisschen wie Trump. Ich habe genügend Geld, ich muss mich nicht bestechen lassen. Ich habe fünf Häuser, die ich vermiete.“ Ob er sich wie der Donald Trump von Luray fühle? Presgraves stutzt und sagt dann: „Ich nehme das als Kompliment.“

Presgraves liebt den Erfolg und die Erfolgreichen. Das hat er mit vielen Anhängern der Republikaner in den USA gemein. Die in- und ausländische Kritik an Trump weisen Fans wie Presgraves scharf zurück. Es müsse endlich ein Mann an die Regierung, der durchgreife, der das Land vor illegalen Einwanderern schütze – und sei es durch den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko. Ein Mann wie Trump eben, der wisse, wie man für Sicherheit sorgt – und sei es durch ein Einreiseverbot für Muslime, um sich potenzielle Terroristen vom Hals zu halten.

Lokale Angelegenheiten werden mit Geopolitik vermischt

Presgraves lehnt sich in seinem Drehstuhl nach hinten und gibt eine Lektion in Militärkunde. „Wissen Sie eigentlich, wie sich ein Land die Freiheit bewahrt? Man braucht die militärische Überlegenheit auf dem Land, zu Wasser und auf hoher See. Wenn wir nicht gewesen wären, dann trügen Sie jetzt ein Hakenkreuz am Ärmel“, sagt Presgraves seinen Besuchern aus Deutschland. Dann lächelt er.

Gespräche mit Trump-Anhängern verlaufen häufig so. Lokale Angelegenheiten werden mit Geopolitik vermischt, Wunsch und Wirklichkeit vermengen sich ebenso wie Gegenwart und Vergangenheit. So hält es Trump auch in seinem Wahlkampf. Er zelebriert die politische Unkorrektheit. In seinen Reden hüpft er von Thema zu Thema, bleibt verschwommen in seiner Aussage, findet Folter mal gut, mal nicht, distanziert sich mal von Rassisten, mal nicht, und nutzt seine Auftritte dafür, um für sein Unternehmen zu werben. Er wirkt dabei wie der Darsteller in dem Werbespot, der dem Gegenüber stolz Bilder von seinen Besitztümern vorblättert - mein Haus, mein Auto, meine Jacht, mein Reitpferd.

Im Falle Trumps ist das Auto eine Boeing 757. Von dem luxuriös eingerichteten fliegenden Kommandostand aus will Trump Amerika erobern. Als Operettengeneral wurde er anfangs verspottet, aber das ist lange vorbei. Trump sieht sich inzwischen als Kopf einer Bewegung.

Die patriotische Volksseele kocht

Seine Anhänger nehmen ihm die Angeberei nicht übel. Im Gegenteil: Reihenweise hat Trump in den vergangenen Wochen seine republikanischen Mitbewerber deklassiert und eine Vorwahl nach der anderen gewonnen.

Die Suche nach einer Erklärung für das Phänomen geht weiter. Sie führt knapp 330 Kilometer nach Südosten, nach Smithfield. Das Trump-Ergebnis dort: 41,64 Prozent. Das ist weniger als in Luray, aber immer noch viel. Vor allem aber hätte es, sagt Bürgermeister Carter Williams, noch schlimmer kommen können. Denn da ist die Geschichte mit den Chinesen, die vor nicht ganz drei Jahren „Smithfield Foods“, den größten Schweinefleischkonzern der Welt, gekauft haben. Der hat seinen Hauptsitz in Smithfield, wo im städtischen Museum ein angeblich mehr als 110 Jahre Schinken ausgestellt ist, der immer noch essbar sein soll.

Die patriotische Volksseele kochte hoch, als sich damals die Nachricht von der Übernahme durch die Chinesen verbreitete. Die Einwohner von Smithfield fühlten sich als Opfer der Globalisierung. Bald schon, so hieß es damals, sei Schluss mit dem schönen Schinken made in USA. Wären damals Präsidentschaftswahlen gewesen, hätte ein Kandidat wie Donald Trump wahrscheinlich problemlos die absolute Mehrheit der Stimmen erhalten. Denn damals war die Sorge groß, und ein Kandidat wie Trump, der die USA aus dem Würgegriff der Chinesen zu befreien verspricht, wäre wie ein Held gefeiert worden.

Doch es kam anders als befürchtet. „Nichts hat sich verändert, nichts, aber auch gar nichts“, sagt Bürgermeister Carter Williams, hebt die Hand und zeigt mit einem Finger in Richtung des Stadtrandes, wo die Verwaltungsgebäude und die Schlachthäuser von „Smithfield Foods“ stehen. „Halt, es hat sich doch was verändert. Die machen jetzt mehr Geld als jemals zuvor.“

Die schwierige Suche nach Trump-Fans

Obwohl also nichts geschehen ist, sind die Anhänger der Republikaner bei der Vorwahl vor ein paar Tagen dennoch mehrheitlich zu Trump gelaufen. Carter Williams, seit acht Jahren Bürgermeister von Smithfield, sagt, er sei fassungslos. „Ich verstehe zwar, dass die Leute Veränderungen in Washington wollen, aber bei uns in Smithfield ist keine Krise, und es gibt eigentlich keinen Grund, für Trump zu stimmen.“ Williams zupft an seinen penibel gestutzten weißen Barthaaren und sagt: „Aber niemand will zugeben, dass er für Trump gestimmt hat. Ich frage die Leute ständig, aber niemand will es zugeben.“

In der Tat ist es etwas aufwändig, in Smithfield Trump-Fans zu finden. Es gelingt dann aber doch. Bruce Meyer bekennt sich am Telefon. Der 47 Jahre alte Mann, der als Therapeut in einem Krankenhaus arbeitet, sagt: „Trump ist ein Kapitalist, und er liebt mein Land.“ Es sei der Kapitalismus gewesen, der die Menschen in seinem Land aus der Knechtschaft von Königen befreit habe. Der wahre Kapitalismus, schiebt Meyer hinterher, „nicht die Vetternwirtschaft, die wir aus Washington kennen“.

Meyer hätte zwar gerne, dass sein Favorit im Wahlkampf detailliertere Pläne vorlegte, aber er findet es unproblematisch, dass Trump Kontakte zur Politik pflegen musste, um seinen Geschäften nachgehen zu können, und damit Teil des Systems war. „Wer trägt denn die Schuld? Das sind doch die Politiker, die sich schmieren lassen, nicht diejenigen, die unter diesen Umständen Geschäfte machen müssen“, sagt Meyer.

Elegant umschifft er die Frage, ob die Furcht vor den Chinesen nicht übertrieben gewesen sei. „Na, ja“, sagt Meyer, „vielleicht läuft es hier ja ganz gut, aber ich will, dass ganz Amerika wieder funktioniert“. Dieses Ziel lasse sich am besten mit einem Außenseiter erreichen. So wie Trump als Geschäftsmann Entscheidungen im Interesse seines Unternehmens getroffen habe, so werde er auch als Präsident Entscheidungen im Interesse des Landes treffen.

Donald Trump kennt Bruce Meyer nicht. Aber angesichts seiner Wahlerfolge kann er sich inzwischen sicher sein, dass es in Amerika viele Bruce Meyers gibt. Es sind nicht nur die zornigen, weißen Männer im Rentenalter, die ihn unterstützen. Am Donnerstagabend gibt sich Trump während einer TV-Debatte in Miami sehr selbstbewusst, aber deutlich sanfter als gewohnt. Er benutzt den Majestätsplural und sagt: „Wir haben es geschafft, dass Millionen zur Wahl gehen, die das vorher niemals gemacht haben.“ Von Trumps Konkurrenten kommt kein Widerspruch.