Politiker fordern, den Bluttest einer Konstanzer Firma auf das Down-Syndrom zu verbieten. Gynäkologen sehen die Situation dagegen gelassener.

Stuttgart - Mit großer Anspannung verfolgen die werdende Mutter und der Vater den Weg der Nadel durch die gewölbte Bauchdecke der Schwangeren. Im Ultraschallbild kann man deutlich sehen, wie die Nadel durch die Fruchtblase gleitet und dem Kind gefährlich nahe kommt. Dann bewegt sich das Ungeborene Richtung Nadel, der Arzt hält inne. Die Nadel bleibt stecken, die Mutter hält den Atem an, das Kind wird wieder ruhiger, und die Untersuchung kann weitergehen.

 

Eine Fruchtwasseruntersuchung, die sogenannte Amniozentese, ist für die werdenden Eltern eine emotionale Belastung, denn sie gefährdet das Kind. Die Gefahr eines Abgangs durch den Eingriff ist nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) nicht unbeträchtlich: Von 1000 Frauen, die sich für eine Fruchtwasseruntersuchung entscheiden, verlieren möglicherweise 10 Betroffene ihr gesundes Kind.

Wenn sich Eltern für eine solche Untersuchung entscheiden, wollen sie wissen, ob sich bestimmte Erbkrankheiten in den Genen des Ungeborenen verbergen. Die kindlichen Zellen, die dem Fruchtwasser entnommen werden, geben unter anderem Aufschluss darüber, ob das Kind mit einem Down-Syndrom zur Welt kommt. Demnächst könnte sich eine Schwangere auch für einen harmlosen Bluttest entschließen: In den kommenden Tagen wird voraussichtlich der „Praena-Test“ des Konstanzer Unternehmens Lifecodexx auf den Markt kommen.

Genschnipsel im Blut der Mutter

Im mütterlichen Blut schwimmen Fragmente des Erbguts des Kindes. Anhand dieser Genschnipsel lässt sich mit dem neuen Test feststellen, ob beim Fötus das Chromosom 21 dreimal statt zweimal vorkommt und somit eine Trisomie 21, also das Down-Syndrom hat (siehe Infokasten). Allerdings kann man mit diesem Test nur dieses eine Erbleiden feststellen. In den USA sind ähnliche Verfahren schon seit längerer Zeit auf dem Markt. Die Vereinigung der amerikanischen Gynäkologen empfiehlt, dass sich jede Mutter dem Test unterziehen sollte.

In Deutschland hingegen wird seit Monaten heftig über den Trisomie-21-Test diskutiert. Vertreter der Kirchen und Politiker befürchten, dass ein vereinfachter Test dazu führen könnte, dass Ungeborene aufgrund ihrer genetischen Ausstattung aussortiert werden könnten.

Dieser Test sei diskriminierend und illegal, meint der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung Hubert Hüppe (CDU). Er hatte ein Rechtsgutachten an der Universität Bonn in Auftrag gegeben und vom Gutachter Klaus Ferdinand Gärditz Unterstützung bekommen: Wegen der unzulässigen Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit Dritter handle es sich bei dem Test um ein nicht verkehrsfähiges Medizinprodukt. „Der Test dient weder medizinischen noch therapeutischen Zwecken. Nach dem Gendiagnostikgesetz müssen aber gerade diese Zwecke für eine zulässige vorgeburtliche Untersuchung vorliegen. Down-Syndrom ist aber weder therapierbar noch heilbar“, betonte Hüppe vor einigen Tagen bei der Präsentation des Gutachtens. Daher sollten die zuständigen Landesaufsichtsbehörden den Test verbieten, so Hüppe. Unterstützung hatte er auch von der baden-württembergischen CDU-Landtagsfraktion und dem Landesbehindertenbeauftragten Gerd Weimer bekommen. Aus ihrer Sicht verstößt der Test gegen das Recht auf Leben.

Warnung vor Schwarz-Weiß-Malerei

Baden-Württemberg hat gestern auf diese Forderung reagiert: Das Land wird den Test vom Bodensee voraussichtlich nicht verbieten. Dafür seien die rechtlichen Voraussetzungen nach dem Gendiagnostikgesetz nicht gegeben, sagte ein Sprecher von Ministerin Katrin Altpeter (SPD). Das Sozialministerium warnte vor einer Schwarz-Weiß-Malerei. Neun von zehn Frauen entschieden sich schon jetzt für eine Abtreibung, wenn die derzeit angewandte Fruchtwasseruntersuchung eine Trisomie 21 ergebe, sagte der Sprecher. Das Bundesforschungsministerium habe die Entwicklung des neuen Tests außerdem mit 230 000 Euro unterstützt.

Der Hersteller Lifecodexx weist die Kritik zurück. „Der Praena-Test ist eine risikolose Ergänzung bestehender nichtinvasiver vorgeburtlicher Untersuchungsmethoden“, ist in der Stellungnahme des Unternehmens zu lesen. Der Test untersuche grundsätzlich nichts Neues. Der Anwendung liege das Gendiagnostikgesetz zugrunde. Unterstützung für diese Haltung bekommt die Firma von der Ärzteschaft. Die DGGG etwa sieht in dem Test „keinen ethischen Dammbruch“. Sie befürchtet auch keine sprunghafte Zunahme von Schwangerschaftskonflikten.

Der Bluttest weist eine Reihe von Einschränkungen auf. Bis jetzt enttarnt er nur eine einzige genetische Veränderung, die vielen Tausend anderen Krankheiten werden nicht erfasst. Zudem müssen die Eltern derzeit bis zu zwei Wochen auf das Ergebnis warten, eine Amniozentese ist viel schneller. Außerdem wird die Blutanalyse von den Kassen nicht übernommen: Die Untersuchung wir mindestens 1200 Euro kosten, und auch die vom Gesetz vorgeschriebene genetische Beratung durch Fachleute muss aus eigner Tasche bezahlt werden. Deute der Test auf eine Erkrankung hin, müsse zur Abklärung eine Amniozentese folgen, erläutert das Unternehmen auf seiner Homepage.

Neue Dimension der Gendagnostik

Eine neue Dimension der genetischen Diagnostik wird hingegen mit Verfahren erreicht, die es ermöglichen, das gesamte Genom eines Fötus zu entschlüsseln. So haben vor Kurzem US-Forscher der Universität Washington das komplette Erbgut eines ungeborenen Kindes nur durch eine Blutentnahme bei der Mutter und eine Speichelprobe des Vaters entziffert. Ihre Ergebnisse, die sie noch als verbesserungsfähig bezeichnet hatten, haben sie Anfang Juni im Fachjournal „Science Translational Medicine“ veröffentlicht (die StZ berichtete).

„Wird das gesamte Erbgut eines Menschen untersucht, so finden die Genetiker nur noch in den seltensten Fällen Veränderungen, die mit eindeutigen Diagnosen von Erkrankungen oder Behinderungen einhergehen. Dagegen findet sich eine unendliche Vielzahl von unterschiedlich ausgeprägten Risiken“, ist in einer Stellungnahme der Gynäkologen der DGGG zu lesen. Eltern und genetische Berater müssten sich nicht mit eindeutigen Diagnosen auseinandersetzen, sondern mit Risiken und Wahrscheinlichkeiten. Inwieweit ein Gendefekt im Laufe eines Lebens tatsächlich zu einer Erkrankung führten, hänge nicht nur von den Genen ab. Vielmehr seien die Lebensweise, die Umwelt und viele andere Faktoren von großer Bedeutung.

Tests auf Trisomie 21

Amniozentese:
Die Untersuchung des Fruchtwassers (Amniozentese) wird Frauen empfohlen, die älter als 35 Jahre sind. Sollte im Ultraschallbild beim Ungeborenen etwas auffällig sein, rät der Arzt auch schon früher dazu. Sie wird in der 14. bis 16. Schwangerschaftswoche durchgeführt. Der Arzt saugt mit einer Nadel etwa 20 Milliliter Fruchtwasser ab. Die kindlichen Zellen werden im Labor vermehrt und genetisch untersucht. Routinemäßig werden damit nur einige Veränderungen im Erbgut in den sogenannten Chromosomen erfasst. Sind in der Familie Erbkrankheiten bekannt oder besteht ein Risiko für ein solches Leiden, kann der genetische Test mit dem Einverständnis und der entsprechenden Beratung erweitert werden.

Chorionbiopsie:
Der Arzt entnimmt Zellen aus dem Gewebe, aus dem sich die Plazenta entwickelt. Auch dazu wird mit der Nadel durch die Bauchdecke gestochen. Die Zellen der Gewebeprobe werden im Labor genetisch untersucht. Im Gegensatz zur Amniozentese kann diese Untersuchung bereits ab der 10. Schwangerschaftswoche gemacht werden.

Triple-Test:
Hierbei werden das Blut der Mutter untersucht und drei Hormone bestimmt. Aus den Messwerten und dem Schwangerschaftsalter kann errechnet werden, ob ein erhöhtes Risiko besteht, dass das ungeborene Kind etwa an einem Down-Syndrom leidet. Dieser Test dient nur der Abschätzung und kann dabei helfen, sich für oder gegen eine Amniozentese zu entscheiden.

Trisomie 21:
Menschen haben gewöhnlich 46 Chromosomen, je zwei bilden ein Paar. Ist eines der Chromosomen dreifach vorhanden, nennt man das Trisomie. Die Veränderung in der Chromosomenzahl ist meist nicht erblich bedingt, sondern tritt spontan und zufällig auf; die Wahrscheinlichkeit steigt mit dem Alter der Eltern. Die Trisomie im Chromosom 21, besser bekannt als Down-Syndrom oder Mongolismus, ist die am häufigsten diagnostizierte Abweichung in der Zahl der Chromosomen – etwa jeder zweite der auffälligen Befunde geht darauf zurück. Kinder mit einem Down-Syndrom müssen nicht zwangsläufig krank sein, nur bei einem Teil führt das überzählige Chromosom zu schweren organischen Schäden.