Jedenfalls wird es keine Verurteilung von Lebenspartnerschaften geben, die der Kirche bis jetzt schräg oder sündig vorkommen. Stattdessen geht es um einfühlsame seelsorgerliche Begleitung. Denn nichts ärgert diesen Papst mehr als die „Heuchelei der Lehrwächter“, „der Hochmut und die Selbstgerechtigkeit, die fixen Ideen und die Vorurteile“ der Priester, der „Klerikalismus, diese Einstellung all jener, die sich rein fühlen“, „der Versuch, alles mit Denkschemata zu regeln, statt sich von der Wirklichkeit überraschen zu lassen“. Von einem guten Beichtvater verlangt   Franziskus in seinem neuesten, unglaublich klaren Interview-Buch, „dass er an seine eigenen Sünden denken möge. Dass er nie den ersten Stein wirft, weil er selbst der Vergebung bedarf.“

 

Das Buch heißt „Gottes Name ist Barmherzigkeit“. Franziskus hat den Titel in Dutzenden von Sprachen mit seiner eigenen Hand geschrieben – aber gerade den Rechtgläubigen gegenüber, die ihm eine Verwässerung der Lehre vorwerfen, hält Franziskus fest: Das habe nicht ich erfunden, das lehrt die Kirche. Ein Gegensatz zwischen Dogma und Barmherzigkeit existiert nicht: „Barmherzigkeit IST die Lehre.“   Schon der Buchtitel ist ein Zitat – von Benedikt XVI. Die Wahl dieses Titels war politisch klug: als Rückbezug auf einen, der gerade unter Franziskus-Gegnern als letzter Anker der Rechtgläubigkeit gilt. Franziskus ist alles andere als naiv.

Doch anders als Benedikt kommt Franziskus nicht aus der Studierstube. Er kommt – als Pfarrer, als Bischof – aus der Trambahn, aus dem Supermarkt, aus den Plaudereien auf offener Straße. Und er kommt aus dem Beichtstuhl. Seine Dogmatik nährt sich von unmittelbaren menschlichen Begegnungen. Sein Begreifen der Welt setzt sich aus einzelnen Lebensgeschichten zusammen: „Da kam eine Mutter mit kleinen Kindern zu mir . . .“; „was mir ein bekannter Manager erzählt hat . . .“; „ich habe eine Nichte, die . . .“