Mitarbeiter der Suchtberatungsstelle Release klären Besucher von Technoveranstaltungen über die Gefahren von Drogenkonsum auf. Bis heute aber zeigen die meisten Stuttgarter Clubbetreiber dem Präventionsprojekt die kalte Schulter.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Stuttgart gehört nicht zu den großen Adressen der Technokultur, eine ansehnliche Partyszene gibt es aber auch hier. Zum gerne mal exzessiven Tanzvergnügen gehören für einige junge Leute auch Drogen: euphorisierendes Ecstasy, aufputschende Amphetamine, zunehmend sogenannte Legal Highs, Cannabis sowieso.

 

Um die schwer erreichbare Konsumentengruppe über die Risiken ihres Verhaltens, über gefährliche Wirkstoffe und steigende Dosierungen der Pillen, Pülverchen und Kräutermischungen aufzuklären, besucht die Drogenberatung Release seit zweieinhalb Jahren Diskotheken, von privaten Initiativen veranstaltete Technoraves und die großen Elektromusikevents in der Region. Ein Problem des Modellprojekts namens Take: Viele der Stuttgarter Clubbetreiber ziehen offenbar nicht mit.

Drogenkonsum in der Szene „sehr verbreitet“

„Diese Konsumenten suchen unsere Beratung nicht auf“, sagte Release-Geschäftsführer Ulrich Binder am Montag im Sozialausschuss. Da es in der Partyszene aber einen „sehr verbreiteten“ Drogenkonsum gebe, spreche man diese Gruppe am Ort des Geschehens an. So bekamen die Mitarbeiter der Beratung Kontakt zu einigen Tausend Partybesuchern. Das Interesse von Veranstaltern sei steigend, man habe etliche Anfragen ablehnen müssen, so Binder.

Doch die meisten der Stuttgarter Clubbetreiber zeigen Release die kalte Schulter. „Es ist sehr, sehr schwierig da reinzukommen“, klagte Binder. Von den rund 15 Clubs, die Veranstaltungen mit elektronischer Tanzmusik machten, hätten „nur drei die Tür aufgemacht“. Deren Rückmeldungen seien aber positiv. Die anderen verwehren den Suchtberatern den Zutritt zumeist deshalb, weil sie damit eingestehen würden, dass in ihren Räumen Drogenkonsumenten verkehren oder dort sogar konsumiert wird. Binder setzt nun auf einen „Schneeballeffekt“.

Kritik aus dem Gemeinderat

Stadträtin Petra Rühle (Grüne) forderte, dass sich die Clubbetreiber dem Projekt öffnen sollten. Laura Halding-Hoppenheit, Stadträtin von SÖS/Linke-plus und Kings-Club-Chefin, steht voll und ganz hinter Take. Sie warb dafür im Sozialausschuss. Auf Anfrage erklärte die Betreiberin des Schwulenclubs: „Wir machen da mit.“ Schließlich könne niemand sagen, „dass in seinem Club keine Drogen genommen werden“. Prävention sei wichtig, so Halding-Hoppenheit, man wisse ja: „Wenn die Leute stundenlang tanzen, putschen sie sich auf.“

Bei allem Lob für die Präventionsarbeit des Trägerverbundes der ambulanten Suchthilfe war die Reaktion auf Take im Ausschuss doch eher verhalten. Das liegt daran, dass das Projekt bisher mit Mitteln der Lechler-Stiftung finanziert wurde, künftig müsste die Stadt die Kosten von mehr als 90 000 Euro im Jahr tragen.

Stadt hofft auf Geld vom Land

Beate Bulle-Schmid (CDU) stört, dass Release die Konsumenten der Partys zwar aufkläre, aber nicht versuche, sie von ihrem Tun abzubringen. Die Stadträtin monierte zudem, dass im Projektbericht ein liberalerer Umgang mit Cannabis gefordert werde. Geradezu libertär und im krassen Gegensatz zu seiner Partei sprach AfD-Stadtrat Heinrich Fiechtner hingegen von einem „Recht auf Rausch“ und lobte als Arzt „sehr wohltuende Effekte“ von Cannabis.

Es wird wohl darauf ankommen, dass das Land wenigstens einen Teil der Kosten für Take übernimmt. Das Finanzreferat hat jedenfalls angemerkt, dass es sich bei den Adressaten der Beratung „nicht nur um Stuttgarter Publikum“ handle. Sozialbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) erklärte abschließend denn auch: „Wir hoffen auf die Unterstützung vom Land.“