Der Chef des Sinaloa-Kartells Joaquín Guzmán wurde am Samstag in einem Hotel im Norden Mexikos festgenommen. Es ist das Ergebnis wochenlanger Zusammenarbeit zwischen mexikanischen und amerikanischen Behörden.

Korrespondenten: Klaus Ehringfeld (ehr)

Mexiko - Es ist der größte Schlag gegen das Organisierte Verbrechen in Mexiko in den vergangenen 20 Jahren. Der Chef des Sinaloa-Kartells Joaquín „Chapo“ Guzmán wurde am Samstag in einem Hotel in der Hafenstadt Mazatlán im Norden Mexikos festgenommen. Der meistgesuchte Drogenboss der Welt sei in einer gemeinsamen Aktion von mexikanischen Marine-Einheiten und Vertretern der US-Antidrogenbehörde DEA festgenommen worden, bestätigte der Generalstaatsanwalt Jesús Murillo Karam. Die Identität Guzmáns sei mittels DNA-Proben „zu 100 Prozent“ bestätigt. Die Sicherheitskräfte hatten seit Jahresbeginn in einer konzertierten Aktion die Schlinge um den Kartell-Chef immer weiter zugezogen. Experten werten die Festnahme vor allem als einen großen politischen Erfolg für den Präsident Enrique Peña Nieto, verneinen aber eine Schwächung der operativen Kraft des Kartells.  

 

Laut Murillo Karam wurde Guzmán kurz nach Morgengrauen verhaftet, „ohne dass ein einziger Schuss fiel“. Mit ihm wurden weitere 13 Verdächtige festgesetzt. Auf Guzmáns Festnahme waren Kopfgelder von insgesamt sieben Millionen Dollar in den USA und Mexiko ausgesetzt. Es ist der wichtigste Schlag gegen das mexikanische Organisierte Verbrechen seit Guzmáns erster Festnahme am 9. Juni 1993 in Guatemala. Seine Macht und sein Einfluss lassen sich vergleichen mit denen von Pablo Escobar, dem Boss des Medellín-Kartell, der am 2. Dezember 1993 in Medellín erschossen wurde.  

Flucht aus dem Gefängnis

„El Chapo“, „Der Kleine“, war am 19. Januar 2001 die Flucht aus dem Hochsicherheitsgefängnis Puente Grande im mexikanischen Bundesstaat Jalisco gelungen. Seitdem führte er gemeinsam mit Ismael Zambada, genannt „El Mayo“, und Juan José Esparragoza, „El Azul”, das größte und wichtigste Kartell Mexikos. Die Jahresumsätze des Sinaloa-Syndikats mit illegalen Geschäften liegen nach Expertenangaben im zweistelligen Milliardenbereich. Die Mafia soll für 25 Prozent der Drogenlieferungen in die USA verantwortlich sein.   Guzmáns Kartell und die Erzfeinde der Mafia-Bande „Los Zetas“ werden für die überwiegende Zahl der Gewalttaten in Mexikos bereits mehr als zehn Jahre dauernden Drogenkrieg verantwortlich gemacht. Den schweren Auseinandersetzungen sind seit 2001 mehr als 100 000 Menschen zum Opfer gefallen.  

Erste Bilder zeigten Guzmán kurz nach seiner Festnahme mit nacktem Oberkörper, mit Handschellen gefesselt und mit einigen Schnittverletzungen im Gesicht und am Oberkörper. Den ersten Angaben zufolge wurde Guzmán im Hotel „Miramar“ in Mazatlán überrascht. Er soll in Begleitung einer Frau gewesen sein.   Der gemeinsame US-mexikanische Einsatz gegen Guzmán dauerte offenbar schon fünf Wochen. Am 17. Februar lokalisierten die Häscher eines seiner Häuser in Culiacán, der Hauptstadt des Bundesstaates Sinaloa. Drei Tage später spürten die Sicherheitskräfte den Aufenthaltsort seiner Ex-Frau Griselda López Pérez auf. Es ist wahrscheinlich, dass die Sucheinheiten in diesen Tagen den entscheidenden Hinweis auf Guzmáns Aufenthaltsort erhielten.  

Drogenkartell vermutlich nicht geschwächt

Experten aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität bezweifeln, dass das Kartell durch die Festnahme nachhaltig geschwächt sei. „Die Organisation wird von Ismael Zambada und Juan José Esparragoza weitergeführt. Sie ist hervorragend strukturiert. Es wird weitergehen wie bisher“, vermutet Anabel Hernández, eine Journalistin und Autorin mehrerer Bücher über das Sinaloa-Kartell.   Die Führungsköpfe des dezentral organisierten Kartells seien austauschbar, sagt auch Edgardo Buscaglia, ein Kriminalitätsexperte und Professor an der Columbia-Universität in New York. Buscaglia rief die mexikanische Regierung dazu auf, sich nicht auf der Festnahme von Guzmán auszuruhen. „Ein Kartell zerschlägt man nur, wenn man auch die Finanznetze zerstört, die Firmen und Ländereien ins Visier nimmt und die Villen der Bosse beschlagnahmt. „Falls das nicht geschieht, war auch Guzmáns Festnahme nur eine der vielen medial wirksamen, aber nutzlosen Festnahmen“, so Buscaglia.  

Das Sinaloa-Kartell ist heute in mehr als 54 Staaten vertreten und widmet sich 21 illegalen Aktivitäten. „Es ist längst keine Rauschgiftmafia mehr, sondern ein diversifiziertes Unternehmen des Organisierten Verbrechens, das nur noch etwa 50 Prozent seines Umsatzes mit Drogenhandel macht“, beschreibt Buscaglia. Die übrigen Einkünfte generieren sie aus Geschäften wie Schmuggel, Menschenhandel, Raub von Rohstoffen und Produkt-Piraterie.