In der am Sonntag beginnenden Ausstellung spielt das Kunstwerk Klein mit der Abstraktion der Realität. Dabei gibt es viel Ungewöhnliches zu sehen.

Eberdingen - Der Hauptdarsteller begrüßt die Besucher gleich am Eingang. Doch er tut das auf ungewohnte Weise. Wer das Kunstwerk Klein in Eberdingen-Nußdorf betritt, blickt als erstes auf eine großformatige Fotografie von Sean Scully. Eine alte Mauer mit halb vernageltem Fenster in Großaufnahme ist zu sehen – und zwar als Fotografie. Fotografie? Eigentlich ist der Ire Scully weltberühmt und hoch gehandelt für seine abstrakte Malerei. Als „Gegengift“ zu seiner herkömmlichen Arbeit hat der Künstler selbst seine Ausflüge in andere Ausdrucksmedien mal bezeichnet. Wer aber jetzt ein paar Treppenstufen nach oben geht, um den Dreh- und Angelpunkt der neuen Hängung im Kunstwerk zu betrachten – das großformatige Ölgemälde „Green Pale Light“ -, der erlebt eine Überraschung. Es ist, als wäre das Gemälde die Antwort auf die Fotografie, oder umgekehrt: kubische, rechteckige Formen sind auf beiden Werken zu erkennen, scheinbar abstrakt, in moosigen, erdigen Farbtönen gehalten. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass Scully mit seinen Fotografien sagen wolle: „Schaut mal her! Nicht ich bin der abstrakte Maler, die Wirklichkeit ist Abstraktion.“

 

Solche Eindrücke und Erkenntnisse lassen sich in der 13. Hängung im Kunstwerk Klein zuhauf gewinnen. Unter dem Titel „Ein Moment – ewig“ hat die Kuratorin und Museumsleiterin wie gewohnt überraschende, spannungsgeladene Beiträge aus der millionenschweren Sammlung des Nußdorfer Kunstmäzens und früheren Firmenchefs Peter Klein zusammengestellt. Scully hat sie zum Ausgangspunkt gemacht, weil Klein dessen Werke erst im vergangenen Jahr erworben hat.

Ähnlich existenziell und elementar ist die künstlerische Botschaft von Dieter Krieg, der mit vier Werken gleich neben Scullys Großformat präsent ist. Der ehemalige Düsseldorfer Kunstprofessor ist eigentlich für die große Palette bekannt: knallige Farben, riesige Formate, etwa ein gigantisches Spiegelei mit fünf Metern Durchmesser. Doch hier verzichtet Krieg auf Farbe und (weitgehend) große Wirkung, zugunsten von schwarz-weißen Chiffren, die mit Alltagsdingen – etwa einem Fläschchen Maggi-Würze – spielen, um sie auf eine andere Ebene zu heben. „In solchen Kirchen beten nützt nichts“, steht neben einer skizzierten bayerischen Dorfkirche. Sein „Händeringen“ ist ein dynamisches Gewimmel von Fingern, die sich wie Würmer ineinander verschlingen.

Das zweite Obergeschoss ist der Fotografie gewidmet. Oft geben die Werke erst auf den zweiten Blick ihre Spannung preis. Etwa Paul Grahams Triptychon einer simplen Straßenszene in New York. Binnen weniger Sekunden hat er die – fast – identische Szenerie mehrmals aufgenommen. Doch im Zusammenspiel zeigt sich das Werk als Hommage an die kunstvollen Choreografien des Alltags. Die Wege zweier Männer kreuzen sich, sind auf einander bezogen, obwohl sie sich im anonymen Großstadtdschungel nicht begegnen.

Die Werke Scullys haben für den Sammler Peter Klein einen persönlichen Bezug. Wer einen großen Geldbeutel hat, muss sich vor den großen Künstlern nicht fürchten. Also marschierte Klein spontan zu Scullys Atelier in New York. „Ich hab einfach geklingelt und bin stehen geblieben, bis er aufgemacht hat“, erzählt Klein. Scully öffnete irgendwann. Es entspann sich ein spannender Dialog zu Scullys künstlerischer Motivation. Im März habe der Künstler einen Besuch in Nußdorf angekündigt. Klein freut sich schon . „Dann muss er ein Bild von der Landschaft hier malen.“