Das Kunstwerk Klein zeigt rund 40 Gemälde und Objekte, die sich mit kreativen oder politischen Gegensätzen befassen. Und so sitzt Marylin Monroe neben Stalin und Lenin neben Coca-Cola.

Eberdingen - Es ist durchaus kein Widerspruch zu sagen: Valeria Waibel sucht nicht nach Themen für ihre Ausstellungen. Sie findet sie. „Die Themen entstehen in der Auseinandersetzung mit der Sammlung“, sagt die Kuratorin der Kunstsammlung Alison und Peter Klein in Eberdingen-Nußdorf. Im Sommer habe sie eine Art Inventarliste mit Datenblättern aller 1800 Werke der Sammlung erstellt. Dabei fielen ihr Widersprüche, Brüche und Seltsamkeiten auf. „Bei manchen Künstlern bin ich hängengeblieben“, sagt Waibel.

 

Das Ergebnis heißt: „Konstruktives Widersprechen“ und umfasst rund 40 Gemälde und Objekte, die sich mit „Spannungsfeldern im künstlerischen Prozess“ beschäftigen. Die inhaltliche Klammer der neuen Ausstellung im Kunstwerk Klein habe sie sich nicht ausgedacht, beteuert die Kuratorin. „Irgendwann sind die Bilder von selbst damit gekommen.“

Die politische Dimension des Widersprechens

Besonders augenfällig wird das Thema im zweiten Stock. Hier wird die politische Dimension des Widersprechens in seiner künstlerischen Dimension förmlich greifbar. Marylin Monroe sitzt auf einer reich gedeckten Tafel und prostet einem Herrn mit Schnauzbart zu – hier sitzt der Diktator Josef Stalin. Das großformatige Gemälde „Marylin-Stalin“ von Leonid Sokov persifliert den Sozialistischen Realismus mit Mitteln der Pop-Art. Nebenan wird’s noch plakativer: „McLenin“ oder „Coca Cola – it’s the Real Thing“ lauten die platten Botschaften des Alexander Kosolapov auf Werbetafeln mit dem Konterfrei des sowjetischen Revolutionsführers.

Politisch im leiseren Sinne sind die Tafeln von Hermann Glöckner. Die geradezu provokativ ungegenständlichen Arbeiten galten in seiner Heimat, der DDR, als inakzeptabel. Hier erstellt ein reifer Künstler (Jahrgang 1889) mit konstruktivistischen Mitteln einen Gegenentwurf zur herrschenden Staatsdoktrin, die das sozialistische Menschenbild forderte. Es sei diese Form des Widersprechens gewesen, die sie zum Ausstellungstitel inspiriert habe, erläutert Valeria Waibel. „Das ist konstruktives Widersprechen im wörtlichen Sinne.“

Fadengemälde wirken wie die Baustelle von Stuttgart 21

Doch nicht immer müssen Widersprüche eine explizit politische Dimension haben. Vielmehr beschäftigt sich die spannungsreiche Ausstellung in Nußdorf mit der Frage: Inwiefern kann in einem künstlerischen Œuvre ein Antagonismus zwischen einer vermeintlichen Stilprägung und neuen Ausdrucksformen entstehen? Ein reizvolles Beispiel stellt Franziska Holstein dar. Auf Ebene 1, fast komplett der jungen Künstlerin gewidmet, lässt sich ihr Weg vom Figurativen hin zur farblichen Abstraktion nachvollziehen. Während Holstein zunächst als klassische Vertreterin der Leipziger Schule galt und sich der menschlichen Innerlichkeit widmete, etwa in Form von malerisch nachgebildeten Fotoalben, zeigte ihr Schaffen mehr und mehr Brüche. Zusehends scheint die Künstlerin die Lust an der Farbe als Werkstoff gepackt zu haben. Da werden die Darstellungen mehr und mehr mit dicken, abstrakten Farbschichten zugemalt – um nicht zu sagen: verputzt.

Spannend, aber wohl nicht politisch sind auch die Fadengemälde von Carolin Jörg. Die in Stuttgart und Lyon lebende Künstlerin zeichnet mit schwarzen Fäden und Nägeln das Bild einer Großbaustelle, die frappierende Ähnlichkeit mit dem Stuttgarter Bahnhofsareal hat. Stuttgart 21 am seidenen Faden – wenn das nicht kontrovers ist . . .