Der Freiburger Experimentalphysiker Karl Jakobs erhält die Stern-Gerlach-Medaille, eine der bedeutendsten Auszeichnungen der Physik in Deutschland. Er wird damit für seinen Beitrag zum Nachweis des Higgs-Teilchens geehrt.

Stuttgart - Man möchte meinen, die experimentelle Physik sei ein undankbares Geschäft. Mehr als 20 Jahre lang sucht ein Heer von 3000 Wissenschaftlern am Teilchenbeschleuniger des Cern in Genf mit einem enormen Forschungsaufwand nach dem Higgs-Teilchen. Als der Nachweis 2012 gelang, waren es aber Peter Higgs und François Englert, die 2013 dafür den Nobelpreis erhielten. Robert Brout, der Dritte im Bunde, war inzwischen gestorben. Die Wissenschaftler hatten 1964 in jungen Jahren am Schreibtisch die Theorie postuliert, dass es ein solches Teilchen als fehlendes Puzzlestück im Standardmodell vom Aufbau der Materie geben müsse.

 

Karl Jakobs, seit 2003 Professor für experimentelle Teilchenphysik an der Universität Freiburg, ficht das nicht an. „Die Physik ist ein Wechselspiel zwischen Theorie und Experiment“, bemerkt er. Das klingt nüchtern. „Ich hätte mir auch vorstellen können, in die Theorie zu gehen, aber das Experimentieren ist schon ziemlich faszinierend“, erklärt der Forscher. Außerdem schätze er die internationale Zusammenarbeit sehr. Jakobs war selbst seit 1992 beim Cern am Aufbau des Experiments zum Nachweis des Higgs-Teilchens beteiligt und ist überglücklich, dass dieser gelungen ist. „Es gibt durchaus auch Theorien, bei denen man irgendwann sagen muss, dass sie in Experimenten nicht belegbar sind“, bemerkt er. Genauso gebe es auch Entdeckungen, die nicht mit einer Theorie vorhergesagt wurden. So kam zum Beispiel der Nachweis schwerer Quark-Teilchen in den 1970er Jahren ganz überraschend.

Zupackend und pragmatisch

Karl Jakobs ist zupackend und pragmatisch. Er lächelt freundlich und kommt dabei schnell auf den Punkt. Im Forschungsbetrieb ist das kein Nachteil. Nun hat er eine Bestätigung für die große Bedeutung seiner Arbeit erhalten: Ihm wird jetzt für seine Leistungen beim Nachweis des Higgs-Teilchens die Stern-Gerlach-Medaille der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) verliehen, eine der bedeutendsten Auszeichnungen der Physik in Deutschland. „Das ist wirklich etwas Besonderes“, freut sich der 1959 geborene Forscher, der in Bonn Physik studiert und in Heidelberg promoviert hat.

Dabei hatte Karl Jakobs zunächst seinen Fokus nicht so sehr auf der Physik. Er begann im Hauptfach Mathematik zu studieren. „Mich haben schon immer mathematische Gleichungen interessiert“, erzählt er – und gerät ein wenig ins Schwärmen. „Physiker lieben Symmetrien“, sagt er. „Natürlich kommt es vor, dass eine Theorie auch mal Schwachpunkte oder Inkonsistenzen hat“, dann stehe der Physiker vor der Frage, soll er die Theorie wegwerfen oder erweitern? „Wir Physiker glauben an die Schönheit einer Gleichung, deshalb entscheiden wir uns, um die Symmetrie zu wahren, gerne für die Erweiterung“, sagt der Forscher. Vor diesem Dilemma standen Higgs und Englert 1964 mit der Frage nach der Masse im Standardmodell der Elementarteilchen. Sie erweiterten die Theorie und postulierten ein neues Feld, das das gesamte Vakuum durchdringt und elementaren Teilchen Masse verleiht. Damit verbunden war die Vorhersage des Higgs-Teilchens.

Forschungsolymp Cern

So sehr Karl Jakobs die Gleichungen liebt – für die Physik entschied er sich, weil sich Gleichungen auf diesem Gebiet so gut anwenden lassen. „Ich hatte das Glück, schon sehr früh als Student ans Cern gekommen zu sein, dies hat meine Entscheidung, in die Teilchenphysik zu gehen, stark beeinflusst“, erzählt Jakobs. Die internationale Großforschungseinrichtung am Genfer See ist für die Experimentalphysiker auf der ganzen Welt der Forschungsolymp, denn hier werden Experimente zum Nachweis ganz grundlegender Theorien durchgeführt.

Nachdem nun das Higgs-Teilchen entdeckt ist, ist die Arbeit allerdings nicht beendet. „Wir wollen nun natürlich mehr über die Eigenschaften des neu entdeckten Teilchens erfahren“, sagt Jakobs. Inzwischen ist das Higgs-Teilchen in fünf sogenannten Zerfallskanälen nachgewiesen. Zum Nachweis von drei dieser Kanäle haben Jakobs und sein Team in Freiburg wichtige Beiträge geleistet. Zur Zeit ruht der Teilchenbeschleuniger bei Genf, aber demnächst wird es wieder spannend, denn dann wird er erneut aktiviert, und zwar mit einer doppelt so hohen Beschleunigungsenergie.