Im Prozess gegen einen 35 Jahre alten Mann sieht eine Sachverständige die belastenden Schilderungen der beiden Mädchen als plausibel an. Die Verteidiger wollen weitere Zeugen hören.

Strohgäu - Sind die Aussagen zweier 15-jähriger Mädchen, die behaupten, mehrfach vom selben Mann sexuell belästigt worden zu sein, glaubwürdig? Oder könnten die Jugendlichen beeinflusst worden sein – etwa von ihren Eltern? Im Prozess gegen einen 35 Jahre alten Mann am Amtsgericht Ludwigsburg hat eine Sachverständige am Montag ihr Gutachten über die Ausführungen der Mädchen vorgelegt. Demnach gibt es bei beiden „keinen Hinweis auf Autosuggestion“, also, dass die Mädchen sich die Vorwürfe nur ausgedacht haben und selbst daran geglaubt haben.

 

Die Sachverständige baut ihr Urteil auf dem auf, was die Mädchen ihr über die mutmaßlichen Übergriffe erzählt haben. Eines der beiden Mädchen habe von drei Vorfällen berichtet. Jeweils über der Kleidung habe ihr der Angeklagte an Po und Busen gefasst, gibt die Sachverständige wieder – in der Küche zuhause beim Angeklagten, im Zimmer von dessen Sohn. Der Angeklagte schüttelt dabei den Kopf, die Sachverständige spricht von „psychologisch stimmigen Aussagen“. Das Mädchen sei in der Lage, differenziert über den 35-Jährigen zu sprechen. Dass der Angeklagte es auf seinen Schoß gezogen habe, sei demnach zwar häufig vorgekommen. Nicht immer habe er sie dabei aber auch an intimen Stellen berührt. Hinweise darauf, dass das Mädchen den Mann möglichst stark belasten wolle, sieht die Psychologin nicht.

Sachverständige findet Schilderungen plausibel

Verglichen mit den – offenbar eher einsilbigen – Aussagen des zweiten Mädchens sieht die Sachverständige Parallelen in den Aussagen der beiden. So soll der 35-Jährige beide Kinder gefragt haben, ob es ihnen gefalle, während er sie intim berührte. Das, so die Sachverständige, deute auf eine „Realitätsnähe“ der Aussagen der Mädchen hin.

Konstruierte Aussagen ohne Realitätsbezug hätten oft sehr gewaltsame Elemente, so die Sachverständige. Auch würden vermeintlich nebensächliche Angaben in den Schilderungen meist fehlen. Das sei bei den beiden Jugendlichen nicht der Fall. Vor allem eines der beiden Mädchen erinnere sich an viele Details, obwohl die mutmaßlichen Übergriffe Jahre zurückliegen. Bei dem angeführten Vorfall in der Küche des Angeklagten habe das Kind geschildert, wie seine Schwester es zum Stadt-Land-Fluss-Spielen gerufen habe. Das Mädchen, so gibt es die Sachverständige wieder, sei froh gewesen, der Situation auf diese Weise entkommen zu können.

Entscheidende Bedeutung zweier Wörter

Wie weit der Angeklagte beim mutmaßlichen Begrapschen der Mädchen gegangen ist, darum ging es den Verteidigern bei der erneuten Befragung der Polizistin, welche die Aussage eines der Mädchen aufgenommen hatte. Eine halbe Stunde steht die Deutung von dessen Aussagen zur Debatte. Der Verteidiger findet sie schwammig, für den Staatsanwalt ist eigentlich alles klar: „Da gibt es nicht viel zu interpretieren.“ Laut dem Vernehmungsprotokoll sagte das Mädchen, der 35-Jährige habe es „innen drinnen überall“ angefasst. Der Verteidiger glaubt, dass die Polizeibeamtin diese Aussage mit ihren Fragen provoziert habe.

Verteidiger wollen weitere Zeugen hören

Später stellen die Verteidiger eine Reihe von Anträgen, hauptsächlich, um weitere Zeugen zuzulassen und die Vorwürfe gegen ihren Mandanten dadurch zu entkräften. Da geht es um einen Mitschüler von einem der Mädchen, einen früheren Kollegen des Angeklagten. Es geht um einen Mann, den eine Zeugin einst der sexuellen Belästigung bezichtigt haben soll. Dessen Schilderungen, so sieht es der Verteidiger, könnten ein Beleg dafür sein, dass die Familie derartige Vorwürfe als Instrument sehe, „jemanden anzugehen“.

Außerdem möchten die Verteidiger, dass die Wohnung inspiziert wird, die der Schauplatz eines Vorfalls gewesen sein soll – der betreffende Raum sei vom Balkon gut einsehbar gewesen, und schließlich seien viele Raucher zugegen gewesen. Der Tenor: Niemand würde in der Situation ein Mädchen anfassen, wenn er dabei jederzeit entdeckt werden könne.

Der Staatsanwalt und die beiden Nebenkläger weisen die Anträge entschieden zurück. Keiner der Zeugen hätte etwas mit den vorliegenden Fällen zu tun, so der Tenor. Und die Wohnung, so formuliert es der Staatsanwalt, sage über die Taten „gar nichts“ aus: „Leute werden auch in aller Öffentlichkeit belästigt.“ Die sofortige Entscheidung über die Anträge, wie der Verteidiger sie fordert, lehnt das Gericht ab.

Am Donnerstag dieser Woche geht der Prozess gegen den 35-Jährigen, der zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Taten in Gerlingen gelebt hat, in die nächste Runde. Mehrfach soll er die beiden damals acht und neun Jahre alten Mädchen sexuell belästigt haben.