Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Susanne Preusker widerspricht vehement, schnell und sehr norddeutsch. Sie stammt aus Hildesheim. Gefängnisse seien für sie keine Orte, „die Menschen besser machen sollen.“ Dieser Idee hat sie, obwohl sie im Strafvollzugsgesetz steht, nie angehangen. „Das Gefängnis bestraft den, der mehrfach etwas getan hat, auf einer sehr hohen Ebene der Rechtsgüter“, sagt Preusker. „Es nimmt ihm seine Freiheit.“ Für Preusker ist das der einzig gangbare Weg. Das sei auch aus Sicht der Opfer wichtig, sagt sie. Sie erzählt von einer Bekannten, in deren Gartenhaus eingebrochen worden sei. Seitdem habe die Frau Angst. Keine große Sache in der Kriminalitätsstatistik Aber für die Frau sei das eine enorme Beeinträchtigung ihres Lebens. „Die Angst der Menschen vor Kriminalität geht nicht durch Knast weg“, hält Galli dagegen. „Die Angst der Menschen geht aber auch nicht durch Nicht-Knast weg“, kontert Preusker.

 

„Was würden Sie machen, wenn Sie könnten, wie Sie wollten?“, hat ein Stern-TV-Team Galli letztens vor den Mauern seiner Anstalt stehend gefragt. Innenaufnahmen oder gar Lesungen lässt das zuständige Ministerium nicht mehr zu. Diebe, Betrüger, Menschen mit Haftstrafen bis zu vier Jahren sitzen hier ein. „Ich würde sie freilassen“, sagt Galli spontan – und wundert sich über seine Offenheit. 15 Jahre ist er nun als Jurist in Diensten des Strafvollzugs tätig. In dieser Zeit hat er sich immer wieder die gleiche Frage gestellt: „Was erreichen wir mit Gefängnisstrafen?“

Der Gefängnisdirektor Galli will nicht alle einsperren

Galli spricht nachdenklich im Idiom seiner schwäbisch-bayrischen Heimat, denkt lange darüber nach, was er sagt. Etwa 66 000 Menschen sitzen bundesweit in 185 Haftanstalten ein. Die Frage, die Galli bewegt, haben vor ihm schon andere gestellt: Strafrechtsreformer, Sozialwissenschaftler und Juristen. Galli wiederholt also nur – allerdings in schwierigen Zeiten und als Vertreter der Rechtspflege, dem der Staat eine Anstalt mit 200 Insassen anvertraut hat. Da steht man unter verschärfter Beobachtung. Galli ist Regierungsdirektor.

Außerdem stehen die Zeiten generell nicht auf Lockerung oder Veränderung, wenn sich die Gesellschaft in permanentem Alarmzustand fühlt und das Sicherheitsbedürfnis von Tag zu Tag wächst. Und auch Preusker und Galli teilen ja die gemeinsame, wenn auch sehr unterschiedlich erlebte Erfahrung, dass selbst das Gefängnis kein Ort absoluter Sicherheit ist. Nicht für einen ganz persönlich und für die Gesellschaft auch nicht. „Ich hatte nie ein Erfolgserlebnis, wie es sich der Gesetzgeber vielleicht vorstellt. Ich hatte nie das Gefühl, einen Gefangenen auf den Pfad der Tugend zurückgebracht zu haben,“ sagt Galli. Er selbst ist Anstaltsleiter geworden, weil er die Idee hatte, etwas anders machen zu wollen. Nun merkt er: Mit seinem Denken stößt er an Grenzen und entwickelt nun Verständnis für seine früheren Chefs.