Bei der Berlinale hat Sebastian Schippers Spielfilm „Victoria“ Furore gemacht. Der Regisseur erzählt in unkonventionellerForm eine Geschichte um Liebe und Verbrechen in einer Berliner Nacht: eine junge Kellnerin gerät in eine Clique aufgedrehter Typen.

Stuttgart - Ein Mädchen tanzt, glücklich, ausgelassen, allein unter vielen, in einem Berliner Club. Die Kamera hat sich unter die Tanzenden gemischt, passt sich an Licht- und Platzverhältnisse an, tritt nicht als dominante Dirigentin der Welt auf. Sie folgt dem Mädchen Victoria zum Ausgang, beobachtet nebenbei ein paar ausgelassene, aber auch ein wenig krawallig wirkende Typen, die es nicht an der Kasse vorbeischaffen. Irgendwann um diese Zeit merkt dann auch jemand, der vorab nichts über Sebastian Schippers auf der Berlinale viel diskutierten Spielfilm „Victoria“ gelesen hat, dass hier etwas ganz anders ist als sonst im Kino.

 

In „Victoria“ hat die Kamera bis jetzt nie abgesetzt und neu angehoben. Das wird sie auch nicht mehr tun: die ganzen 140 Minuten sind am Stück gedreht worden. Alles ist eine einzige Einstellung, auch wenn die sich durch viele Orte und Stimmungen bewegen wird. Victoria, die vor drei Monaten aus Spanien nach Berlin Gekommene, wird die Clique der vom Club gerade Abgewiesenen kennenlernen.

Liebe und Gesetzlosigkeit

Einen Moment lang scheint sie inmitten der Kerle durchaus in Gefahr. Dann entwickelt sich Kumpanei, zu einem der Kerle eine tiefere Beziehung im Eiltempo. Nur haben die Jungs noch was vor, und Victoria wird Komplizin eines Verbrechens. Der Schritt in die Liebe und in die Gesetzlosigkeit sind eines, wie in Godards „Außer Atem“.

Schippers „Victoria“ hat immer wieder großartige Passagen. Aber auch Partien, die anderswo aus gutem Grund dem Schnitt zum Opfer gefallen wären. Er trägt seine Methode vor sich her: nicht das erzählte Risiko der Figuren, sondern das Risiko der Erzählmethode steht im Vordergrund. „Victoria“ ist kein Film, der einen vom Echtzeitfilmen überzeugt, der aber im Zeitalter nervöser Schnitte sehr wohl immer wieder die Kraft sehr langer Einstellungen unter Beweis stellt.

Victoria. Deutschland 2015. Regie: Sebastian Schipper. Mit Laia Costa, Frederick Lau. 140 Minuten. Ab 12 Jahren.