Sie pflegen in den Logen Rituale, die von außen betrachtet ungewöhnlich anmuten?
Die freimaurerischen Rituale sind unterschiedlich ausgeprägt – und mit manchem, was für Tradition gehalten wird, habe auch ich meine Schwierigkeiten. In unseren Frauenlogen sehen wir die Rituale als die Verbildlichung der Bauidee am Tempel als Ideal der Menschheit. Wir treffen uns in der Loge und setzen die Werkzeuge im übertragenen Sinne ein, wenn wir uns mit einem Thema befassen – wir loten aus, wägen ab, wir suchen Maßstäbe und maßgebende Gesichtspunkte.
Entspringt die Faszination nicht auch der Geheimhaltung?
Das, was wir machen, können Sie alles im Internet nachlesen. Wir haben nichts zu verbergen. Die Rituale – wir kleiden uns schwarz, ziehen weiße Handschuhe an – schaffen eine Distanz zum Alltag und zur Welt. Das ist die Voraussetzung zu einer wirkungsvollen Logenarbeit. Das ist auch eine Art Schutzraum für freies, eigenständiges und vorurteilsloses Denken. Diese Chance bietet sich sonst nirgendwo, zumindest nicht in dieser lehr- und dogmenfreien Art wie bei der Freimaurerei.
Was unterscheidet Frauen- von Männerlogen?
Die Freimaurerei hat sich in der jüngeren Geschichte sehr stark auf die Entwicklung des Individuums fokussiert. Diese Konzentration auf den einzelnen sehe ich sehr kritisch. Natürlich ist die Freiheit des Individuums die Basis. Vielen Frauen reicht es aber nicht aus, sich hohe Ziele zu setzen, sondern sie suchen Wege, sie umzusetzen, ohne dass man sie zu einem verpflichtenden Programm macht.
Auch mit konkreten Forderungen?
Natürlich, sonst brauche ich die Freimaurerei nicht, dann kann ich auch in einen Philosophierclub gehen. Die Werte allein bewirken in der Wirklichkeit gar nichts. Deshalb reicht es nicht, sie wie im Jubiläumsjahr mantraähnlich aufzuzählen. Freimaurerei ist eine Philosophie mit lebenspraktischem Bezug.