Die Stadt Stuttgart arbeitet an einem Konzept für Quartiere, in denen Lebensmittelmärkte fehlen. In 37 Gebieten ist der nächste Lebensmittelhändler nicht ohne Weiteres zu Fuß ­erreichbar. „Nach dem Lebensmittelladen um die Ecke verschwindet die Apotheke, ­darauf folgt der Arzt und dann ist Ende.“ 

Stuttgart - In 37 Gebieten ist der nächste Lebensmittelhändler nicht ohne Weiteres zu Fuß erreichbar. Das ist das Ergebnis eines Gutachtens zum Thema Nahversorger, das die Verwaltung am Dienstag im Technischen Ausschuss präsentiert hat.

 

„Davon sind 120 000 Bürger der Stadt betroffen. Das ist die Größe einer kompletten Großstadt“, erklärte der SPD-Stadtrat Hans Pfeifer. Er bezeichnete die Nahversorgung als Teil der Daseinvorsorge und erklärte: „Nach dem Lebensmittelladen um die Ecke verschwindet die Apotheke, darauf folgt der Arzt und dann ist Ende.“ Peter Pätzold, Fraktionschef der Grünen, sagte: „Wir haben ein Nahversorgungsproblem. Aber dort, wo die Menschen lange keine Händler hatten, wird es schwer, neue Märkte erfolgreich zu installieren.“

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Acht Gebiete auswählen

Die 37 sogenannten Defiziträume ergeben sich aus einer simplen Beobachtung. Um sämtliche 164 existierenden und geplanten Lebensmittelmärkte der Stadt wurde ein Kreis mit 500 Metern Radius gezogen, um die fußläufige Erreichbarkeit festzustellen. Nicht überall wird die Stadt sofort etwas gegen den Mangel tun können. „Da wir nur begrenzte Mittel zur Verfügung haben, müssen wir uns zunächst auf sechs bis acht Gebiete konzentrieren“, erklärte Hermann-Lambert Oediger, der Leiter der Abteilung Stadtentwicklung. Die Entscheidung, welche Quartiere zuerst angegangen werden, treffen der Ausschuss für Umwelt und Technik sowie der für Wirtschaft und Wohnen.

Um von 37 Defiziträumen auf die acht anvisierten Handlungsgebiete zu kommen, hat die Verwaltung zusätzliche Maßstäbe angelegt. Zunächst wurde das Kriterium der Zahl von mindestens 1000 Einwohnern vorgegeben. „Wir halten diese Summe für wichtig, damit ein Lebensmittelhandel dort realistisch geführt werden kann“, so Oediger. Somit bleiben noch 31 Gebiete. Danach wurde der Radius um die vorhandenen und geplanten Märkte von 500 auf 750 Meter erweitert. „Dann haben wir noch 15 Defiziträume“, sagte Oediger.

1,5 Kilometer Fußweg mit Einkaufstüten

Diese Eingrenzung wurde von den Stadträten scharf kritisiert. „Wir haben in dieser Stadt immer mehr ältere Bürger“, sagte die CDU-Rätin, Beate Bulle-Schmid. „Für die ist Fußläufigkeit das wichtigste Thema. 1,5 Kilometer Gesamtstrecke, die Hälfte mit Einkäufen beladen, das ist für diese Menschen eine schwierige Sache.“

Zuletzt hat die Verwaltung Areale, in denen es noch „kleinere Versorger“ gibt, vorerst aus der Rechnung genommen. „Das ergibt zwölf Quartiere, in denen die Versorgung sehr kritisch ist“, so der Stadtplaner.

Am Ende wurde eine Empfehlung für acht Gebiete ausgesprochen: Burgholzhof, Birkenäcker in Bad Cannstatt, Dachswald, Pfaffenwald in Vaihingen sowie die Gebiete Höhenrand und Rosental im selben Bezirk, Uhlbach in Obertürkheim, Wolfbusch, Bergheim in Weilimdorf und Zazenhausen im Bezirk Zuffenhausen. „Wir wollen drei verschiedene Maßnahmen prüfen“, sagte Oediger. Die Ansiedlung eines gängigen Lebensmittelhändlers, danach die Ansiedlung öffentlich geförderter Cap- oder Bonusmärkte und zuletzt Angebote wie mobile Händler oder Wochenmärkte.

Keine Unterstützung für gewerbliche Anbieter

Von den derzeit geförderten Märkten müssen einige wegen zu geringer Umsätze in absehbarer Zeit wahrscheinlich ihren Betrieb einstellen. „Die Bonus-Märkte in Sonnenberg und auf der Rohrer Höhe stufen wir aktuell als sehr gefährdet ein“, sagte Oediger. „Außerdem stehen weitere Märkte auf der Kippe, jedoch nicht ganz so akut wie die beiden Märkte in den Bezirken Möhringen und Vaihingen.“

Der Forderung von FDP-Fraktionschef Bernd Klingler, auch private Anbieter so zu unterstützen wie die Bonus- und Cap-Märkte, erteilte der Erste Bürgermeister, Michael Föll (CDU), eine deutliche Absage. „Wir dürfen für gewerblich Anbieter keine Bürgschaften übernehmen. Wenn wir das tun, bekommen wir sofort Probleme mit dem EU-Beihilferecht.“ Und: „Wir müssen uns anschauen, wo die Menschen ein Defizit auch artikulieren“, sagte Föll.

Dass die Stadt sich des Themas annimmt, wurde positiv bewertet. Der FDP-Stadtrat Günter Stübel warnte jedoch davor, dass ein solches Engagement am Ende Geld kosten könnte. „Für uns steht fest, das wird sicherlich Geld kosten. Sonst bleibt das Gutachten ohne Wirkung“, entgegneten Pfeifer und Pätzold.