Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Satt nach 23 Uhr ist es am Ende dieses langen Abends. Sie hätten theoretisch auch noch „I will follow“, „Gloria“, „Desire“ oder „Discothèque“ spielen können. Aber irgendwann haut Petrus selbst den stärksten Steuermann vom Ruder, denn fast den ganzen Abend über regnet es in Strömen. Deshalb geht das Sonderlob zwingend an den Bassisten Adam Clayton, der fast das ganze Konzert nur im dünnen Hemd und ohne Kopfbedeckung durchspielt. Wie so etwas mit einem elektrischen Instrument in der Hand technisch überhaupt gelingt, müsste man vielleicht The Edge fragen, den begossenen Pudel mit der Mütze an der E-Gitarre. Oder besser noch den Bühnendesigner, der eine prachtvoll illuminierte Videowand von noch nie gesehenen Ausmaßen ins Stadion gestellt, aber der Band kein Dach überm Kopf gegönnt hat.

 

Ein Cowboy namens Trump

Wahrscheinlich war das Bonos Idee, der sich solidarisch mit dem schon seit Stunden vollgeregneten Publikum auf den Stehplätzen im Innenraum zeigen wollte. Denn feucht geht es bei diesem Abend zu, feuchtfröhlich aber mitnichten. Die traumhaft schönen Landschaftsbilder von den Weiten Amerikas, die der U2-Leibfotograf Anton Corbijn eigens für die Tour nochmals in Bewegtbildern nachgefilmt hat, sind nur ein Teil der Videochoreografie. Der andere sind Szenen aus Flüchtlingscamps, von Soldaten, einem historischen Schwarz-Weiß-Western, in dem ein Cowboy, der zufällig auf den Namen Trump hört, als Lügner gebrandmarkt wird. Die entsprechenden mahnenden Worte liefert Bono dazu, der sich ausufernd und fast bis zum Überdruss noch immer als größter Moralist des gesamten Showbusiness geriert. Er hat, fraglos, mit allem was er sagt Recht – aber mit Gebetsmühlen allein hat bisher noch niemand die Welt verbessert.

Als letzter kleiner Wermutstropfen dieses tropfenreichen Abends wäre schließlich noch die Rolle zu nennen, die Noel Gallagher zugewiesen worden ist. Er, der einst selbst Stadien füllte, darf mit seiner Band High Flying Birds das Vorprogramm bestreiten, in dem er eine karge Dreiviertelstunde lang einen schlechten Sound hingemischt bekommt und dazu griesgrämig ein Oasis-Best-of-Programm herunterspielt. Die fast schon einschüchternde exklusive Gigantomanie dieser Tournee hingegen, bei der die nach wie vor enorm gefragte Band nur in acht europäischen Stadien auftritt, ist U2 nicht anzukreiden. „Thank you for still being here“, ruft Bono irgendwann von der Bühne, diese Wehmut beruht eindeutig auf Gegenseitigkeit. Aus Neugier ist gewiss niemand gekommen, es ist Nostalgie. Und die wiederum kann man schwerlich imposanter befriedigen, als die Band U2 es bei diesem Auftritt getan hat.