Marlies Blume und ihr Kabarett kennen schon ganz schön viele. Die Kitsch-Kunst der schwäbischen Kabarett-Queen, die im wahren Leben Heike Sauer heißt, eher ganz schön wenige.

Region: Corinna Meinke (com)

Ulm/Eislingen - Wenn Marlies Blume, die im echten Leben bekanntlich Heike Sauer heißt, nicht gerade als schwäbische Dialekt-Queen Kabarett macht, sitzt sie gerne zuhause und bastelt. Gruschd-Upcycling nennt die gebürtige Eislingerin auf schwäbisch-neudeutsch ihre Werke. Die Bestandteile dafür findet sie auf Flohmärkten und Dachböden.

 

Ganz schön doppelbödig

„Lass raus, was in dir steckt“ titelt der schwarze Minigorilla im rosa Spitzenröckchen, der kraftstrotzend seine Ellenbogen so weit nach außen stemmt, dass sich die Wände seiner kleinen goldenen Kartonbehausung bereits biegen. „Das ist noch ein Teil aus der Serie Action Team, mit der mein Bruder früher gespielt hat“, erinnert sich Sauer, während sie mit dem verfremdeten Kinderspielzeug fürs Foto posiert. Zum Gorilla gehört auch eine kleine Frauenmaske, die man dem Spielzeug auf- und absetzen kann.

Auf Doppelbödigkeiten hat sich Sauer regelrecht spezialisiert und kann auch noch der fiesesten Gestalt, mit einem kleinen roten Plastikherz versehen, eine gute Seite abgewinnen. Das gelingt Sauer immer wieder in ihren Installationen rund um Krieg und Frieden, die Rolle der Geschlechter, Zukunftsangst und Rassismus. Manches erinnert auch an ihre Kabarettrolle als Marlies Blume, die durch ihre scheinbar unbedarfte Betrachtungsweise vieles unverblümt beim Namen nennt und immer für die gerechte Sache ficht.

Mit 18 noch von nix eine Ahnung

Auch wenn sie der Puppenbraut den Griff eines Kochtopfdeckels vor die Augen montiert oder ein Püppchen durch die schwarze Spitze eines Reizwäschehöschens schauen lässt – als feministische Kunst möchte sie ihre Arbeiten nicht etikettieren.

Sie sei zwar im Dunstkreis der feministisch agierenden Eislinger Frauenaktion Efa aufgewachsen – als sie mit 18 Jahren nach München zu einer Tanzausbildung aufbrach, habe sie aber „noch von nix eine Ahnung gehabt“. Heute sagt sie mit Blick auf die allgegenwärtige sexistische Werbung: „es ist schade, was für ein Frauenbild transportiert wird“ und hält mit ihrem feinsinnig skurrilen Humor subversiv dagegen.

Und der braucht immer mehr Platz. Deshalb hat sich Heike Sauer ein Atelier eingerichtet, in dem sich Plastikkisten und Pappkartons voller Nippes und Tand vierstöckig auftürmen.

Hier, auf der Insel in Neu-Ulm, hat die Frau mit den vielen Talenten als Untermieterin bei einem befreundeten Fotografen endlich Anker werfen können, nachdem sie zuhause in Ulm-Söflingen in den akuten Kreativphasen keine Gäste mehr empfangen konnte. In solchen Zeiten seien der Wohnzimmerboden übersäht und die Küche zum Kochen nicht mehr zu gebrauchen gewesen. „Wenn ich baschtel, muss ich immer alle meine Schätze sehen“, erklärt Sauer, die ihre Sätze gerne mit kleinen Schlenkern ins Schwäbische versieht und das Gesagte gestenreich begleitet.

Ein Atelier am Fluss und in der Stadt

Angesichts ihres Schaffensdrangs, der ihr nach der anstrengenden Bühnenarbeit immer wieder Mußestunden beschere, sei das Ausweichquartier in Neu-Ulm gerade recht gekommen, erzählt sie. Schwaben und Bayern liegen hier nur wenige Schritte voneinander entfernt, wenn man die Donaubrücke nutzt. Eine reizvolle Stadtlage, die Heike Sauer genauso genießt wie den Blick auf den Fluss.

Marlies Blume ernährt sie längst

Auch ihre Brücken in den Kreis Göppingen hat die gewitzte Frau nie abgebrochen, denn hier lebt ihre Familie. Einmal pro Woche arbeitet Sauer außerdem in ihrem bürgerlichen Beruf als Logopädin in Göppingen, obwohl Marlies Blume sie längst ernährt. „Ich glaub, des isch das schwäbische Sicherheitsdenken“, deutet sie ihr Festhalten an bürgerlicher Konvention.

Öffentlich gezeigt hat Sauer ihren Kunstkitsch, wie er anfangs hieß, außer beim Eislinger Stadtjubiläum und der Ulmer Kulturnacht noch selten, deshalb freue sie sich auf eine Ausstellung in der Kulturmühle Rechberghausen im kommenden Sommer. Die Selfmadefrau, die den künstlerischen Durchbruch auf der Bühne nach ersten Anfängen in der Göppinger Theatergruppe der Volkshochschule beim Ulmer Weiberfasching erlebte, ist längst ihre eigene Agentin. Sie managt ihre Marlies-Blume-Programme bundesweit und trommelt für ihr Politkabarettduo Münch & Sauer, das sie mit Hanna Münch entwickelt hat.