In der letzten Eiszeit vor 12 000 bis 110 000 Jahren ließ eine gigantische Eisschmelze in der Artkis die Sümpfe am Äquator wachsen. Solche Fern-Beziehungen könnten auch in dem sich wandelnden Klima des 21. Jahrhunderts enorme Auswirkungen haben.

Stuttgart - Einer verblüffenden Fern-Beziehung sind die Klimaforscher um Rachael Rhodes von der Oregon State University im US-amerikanischen Corvallis in der Wissenschaftszeitschrift „Science“ auf der Spur: Während der letzten Eiszeit vor 12 000 bis 110 000 Jahren brachen im hohen Norden mehrere Male gigantische Eismassen in den Nordatlantik, schwammen weit nach Süden und schmolzen dabei langsam. Parallel zu diesen nach ihrem Entdecker Hartmut Heinrich vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie benannten „Heinrich-Ereignissen“ vergrößerten sich in den Tropen die Sümpfe und Moore stark. Das schließen Rachael Rhodes und ihre Kollegen aus den steigenden Methan-Konzentrationen in den Eisschichten der Antarktis, die sich in der Zeit der Heinrich-Ereignisse gebildet haben.

 

Für den Zusammenhang zwischen höherer Methan-Konzentrationen in der Luft tief im Süden und der Ausdehnung der Sumpfflächen in den Tropen sprechen klare Indizien. Welche Rolle aber die massiven Eisberg-Vorstöße im hohen Norden beim Ausdehnen der Moorgebiete im Süden haben, scheint auf dem ersten Blick schleierhaft. Aus einigen anderen Untersuchungen wussten die Forscher, dass in Zeiten solcher Heinrich-Ereignisse das Klima im Norden Afrikas, im Süden Asiens und auf den Inseln Südost-Asiens außergewöhnlich trocken war. Weiter südlich in Australien und Südamerika fielen in diesen nur einige Hundert Jahre dauernden Epochen dagegen erheblich mehr Niederschläge als vorher. Mehr Regen kann größere Sümpfe und Moore nach sich ziehen, die wiederum mehr Methan aus trockenere Regionen in die Luft abgeben.

Heutzutage gibt es in den Tropen eine ausgeprägte Tiefdruckzone, in der oft heftige Niederschläge fallen. Sie entstehen, wenn die starke Sonneneinstrahlung in diesen Gebieten die Luft kräftig erwärmt und dadurch aufsteigen lässt. Weiter oben kühlt die Luft ab, die enthaltene Feuchtigkeit kondensiert zu Wassertropfen, die zuerst mächtige Quellwolken bilden aus denen später Regenfälle prasseln. „Diese innertropische Konvergenz-Zone ist in unserer Zeit ein wenig nach Norden verschoben“, erklärt Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Der Grund dafür sind Meeresströmungen, die warmes Wasser im Atlantik weit nach Norden führen, das seinerseits die Luft ein wenig erwärmt.

Golfstrom Teil eines gigantischen Zirkulationssystems

Diese im allgemeinen Sprachgebrauch „Golfstrom“ genannte Warmwasser-Heizung für Europa ist Teil eines gigantischen Zirkulationssystems, das alle Weltmeere durchzieht und gleichzeitig stark von den Verhältnissen im Nordatlantik beeinflusst wird. Dort kühlen die eisigen Winde von den Gletscherflächen Grönlands heute das salzige Wasser kräftig ab und machen es so ein wenig schwerer. Dadurch sinkt das Wasser in wenige Kilometer Tiefe ab und fließt von dort als mächtiger Strom erst nach Süden durch den Atlantik und später weiter in den Indischen Ozean und in den Pazifik. Ausgeglichen wird dieser Tiefenstrom durch warme Oberflächen-Ströme, deren Ausläufer schließlich den Golfstrom und damit die europäische Warmwasser-Heizung bilden.

Als während der Heinrich-Ereignisse extrem große Eismassen vom mächtigen Eisschild abbrachen, der damals über dem Norden Nordamerikas lag, verdünnte das Schmelzwasser daraus den Nordatlantik, der Salzgehalt und damit das Gewicht eines Liters Wasser nahm ab. Dadurch aber sank weniger Wasser in die Tiefe, und im Gegenzug schwächelte der Golfstrom. „Das wiederum kann aber auch die innertropische Konvergenz-Zone nach Süden verschieben“, erklärt Jochem Marotzke, der die Auswirkungen der Strömungen im Nordatlantik auf das Weltklima unter die Lupe nimmt.

Diese Auswirkung hatten Rowan Sutton und Buwen Dong von der Universität im englischen Reading bereits 2002 berechnet. Und genau diese Verschiebung der Tiefdruckrinnen nach Süden passt hervorragend zu den Messungen von Rachael Rhodes und ihren Kollegen: Die stärkeren Regenfälle lassen die Sumpfflächen wachsen, die dann mehr Methan in die Atmosphäre strömen lassen. Das Eis aus dem hohen Norden hat also das Klima in völlig anderen Weltregionen stark beeinflusst. Genau solche Fern-Beziehungen könnten auch in dem sich wandelnden Klima des 21. Jahrhunderts enorme Auswirkungen haben und bilden daher einen der Brennpunkte der aktuellen Klimaforschung.