Eigentlich wollte der SWR auch AfD und Linke zur „Elefantenrunde“ vor der Wahl laden. Doch weil Grüne und SPD dann nicht gekommen wären, änderte er sein Konzept – mit „zusammengebissenen Zähnen“, wie Intendant Boudgoust sagt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Pressekonferenz des Südwestrundfunks (SWR) lief noch, da kam bereits die Reaktion der AfD. Mit der Nichteinladung in die Elefantenrunde, rügte der Spitzenkandidat Jörg Meuthen, sei ein „Erpressungsversuch“ von Grünen und Roten „teilweise geglückt“. Der angekündigte Boykott derer Vormänner habe den Sender zu einem „halbgaren Diskussionsformat“ gezwungen. Umgehend ging die Frage an den SWR-Intendanten Peter Boudgoust: Ob er sich von den Regierungsparteien wirklich erpresst fühle? „Nein“, versicherte Boudgoust prompt.

 

In der Stunde zuvor hatte er indes mehrfach bedauert, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Vize Nils Schmid (SPD) das eigentliche Konzept des Senders durchkreuzt hätten. Eigentlich wollte es der SWR nämlich halten wie 2011: Auch damals wurden nicht nur die Spitzenkandidaten der vier Landtagsparteien in die Elefantenrunde geladen, sondern nach einer Reihe von Kriterien – Umfragewerte und anderes – prinzipiell auch Vertreter aussichtsreicher Parteien. Das führte dazu, dass seinerzeit auch ein Vertreter der Linkspartei teilnehmen durfte.

Der Sender wollte so wie 2011 verfahren

Genau die gleichen Kriterien sollten auch 2016 wieder angelegt werden, mit dem Ergebnis, dass Meuthen und der Linken-Spitzenkandidat Bernd Riexinger die Runde erweitert hätten. Dies wäre die „favorisierte Lösung“ gewesen, sagte auch der SWR-Justiziar Hermann Eicher, ein „journalistisches Konzept“, das nicht danach frage, welche Positionen genehm seien, sondern wovon die Zuschauer am meisten hätten. Leider sei es „verunmöglicht“ worden durch die Weigerung von Kretschmann und Schmid, gemeinsam mit Meuthen aufzutreten. Er halte die Absage der beiden für „falsch“, betonte auch Intendant Boudgoust; an deren „publizistischer Bewertung“ werde man sich beteiligen.

Theoretisch hätte der SWR davon unbeeindruckt die sechs zugelassenen „Elefanten“ einladen können. Kretschmann und Schmid hätten dann womöglich noch einmal überdacht, ob sie wirklich fernbleiben wollen – und drei Tage vor der Wahl alleine der inner- und außerparlamentarischen Opposition das Feld überlassen. Den Ball hätte der Sender so wieder zu den Regierungsparteien zurückgespielt – freilich mit dem Risiko, dass diese hart blieben.

Mit „zusammengebissenen Zähnen“ eingelenkt

Das aber wollte der SWR dann doch nicht riskieren. Eine solche Runde wäre eine „Farce“, befand Boudgoust, und es sei „nicht unsere Aufgabe, eine Farce zu veranstalten“. Das wäre so absurd „wie ein Duell, wo einer der beiden nicht erscheint“, sekundierte der Justiziar Eicher. Mit „zusammengebissenen Zähnen“ habe man sich also für die zweitbeste Lösung entschieden, schilderten der Intendant und die für Baden-Württemberg zuständige Landessenderdirektorin Stefanie Schneider: In die 70-minütige „Elefantenrunde“ kämen nur die Vertreter der vier Landtagsparteien, danach würden am selben Tag aufgezeichnete Interviews mit Meuthen und Riexinger ungeschnitten gezeigt. Dauer: jeweils zehn Minuten. Daran wiederum solle sich eine Gesprächsrunde von Politikexperten und Journalisten anschließen. Mit diesem „ausgefeilten Gesamtkonzept“ werde dem gesetzlichen Informationsauftrag und der Pflicht zur Chancengleichheit Rechnung getragen, lobte Boudgoust. Davon, dass der Sender „eingeknickt“ sei, könne keine Rede sein.

Eine Stunde später tat Winfried Kretschmann bei seiner wöchentlichen Pressekonferenz so, als habe er mit all dem nichts zu tun. Erpressung? I wo. Er habe dem SWR „zu keinem Zeitpunkt gesagt, was er tun oder lassen soll“. Wen der Sender einlade, müsse er schon selbst wissen. Da solle er bitte nichts „anderen in die Schuhe schieben“, für seinen „Zickzackkurs“ sei er schon allein verantwortlich. Grüne und SPD wollten der AfD eben „keine Bühne geben“, betonte Kretschmann noch einmal. Deren Vertreter träten öffentlich nämlich ganz anders auf „als das, was sie wirklich vorhaben“. Man habe aus der „Elefantenrunde“ kein Forum machen wollen, „wo alle nur über die AfD reden“.

Wolf mahnt zur Auseinandersetzung mit der AfD

Der CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf hätte hingegen kein Problem damit gehabt, auch mit der AfD zu diskutieren. Er sei „überzeugt, dass man diese Partei inhaltlich stellen muss“. Sie biete keine Lösungen, sondern spiele nur mit den Ängsten der Menschen. „Man darf nicht den Eindruck erwecken, dass man dem nicht gewachsen wäre“, mahnte Wolf. Ähnlich argumentierte der Linken-Chef Riexinger: Kretschmann und Schmid hätten wohl Angst davor, bei sozialen Themen alt auszusehen. Ihre Weigerung, auch mit den Linken zu reden, zeuge von einem geringen demokratischen Verständnis. Das SWR-Angebot zum Interview nach der „Elefantenrunde“ nahm Riexinger umgehend an.

Dem DGB missfällt sogar, dass dort auch Meuthen zu Wort kommen soll. So richtig die Nichteinladung in die Elefantenrunde sei, das sei „ein fauler Kompromiss“, tadelte die Vize-Landeschefin Gabriele Frenzer-Wolf. Ihre Kritik am SWR kleidete sie in eine Frage: „Fehlt es der Senderleitung an dem Schneid, eine Partei in die Schranken zu weisen, die in ihren Reihen rechtsextreme Äußerungen duldet?“