In Stuttgart findet einer der größten Kongresse für Automobil- und Motorentechnik statt. Der Schwerpunkt liegt auf neuen Konzepten für den Antrieb.

Stuttgart - Man muss schon ein bisschen Benzin im Blut haben, wenn man am Institut für Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwesen (IVK) der Universität Stuttgart arbeitet. Schließlich ist der Name Programm: Dort wird erforscht und gelehrt, wie man Benzin, Diesel und andere Treibstoffe möglichst effizient und technisch elegant in Vorschub umwandelt. Und auch am benachbarten Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren (FKFS), das 1930 als Stiftung gegründet wurde, standen bisher selbstredend Benzin- und Dieselmotoren im Vordergrund des Interesses.

 

Doch nun drängen die Stromer ins Fahrzeuggeschäft – und das mit Macht. Besonders deutlich wird das am Programm des Internationalen Stuttgarter Symposiums „Automobil und Motorentechnik“, das in dieser Woche zum zwölften Mal stattfindet. Der gemeinsam von den beiden Kraftfahrzeug-Instituten veranstaltete Kongress beschäftigt sich zu einem großen Teil mit Elektromobilität, Elektroantriebskonzepten und Batterietechnologien. Das beginnt schon mit den Einführungsvorträgen, bei denen es um „Entwicklungstrends von Elektroautos in China“ sowie um die „Elektrifizierung des Antriebsstranges bei General Motors“ geht. Gleichwohl ist für Hans-Christian Reuss, der in Personalunion Vorstandsmitglied des FKFS und Ordinarius für Kraftfahrzeugmechatronik am IVK ist, die Feststellung wichtig, dass „das Symposium das gesamte Kraftfahrzeug abdeckt“. Und so gibt es eigene Sitzungen zu Fahrdynamik, zu Diesel- und Ottomotoren, zu Simulationswerkzeugen, zur Fahrzeugakustik und vielem mehr. Doch trotz dieser Vielfalt an Themen wird zweifellos das Elektroauto – und mehr noch die mit ihm verbundenen vielfältigen Probleme – im Vordergrund des Interesses stehen.

„Die Politik treibt stark“

Das hat unter anderem politische Gründe. „Die Politik treibt stark“, stellt Reuss fest. Das ist begründet im Wunsch, unabhängiger von Ölimporten zu werden, aber auch mit der Sorge um Arbeitsplätze in der in Deutschland und besonders in der Region Stuttgart so wichtigen Auto- und Zulieferindustrie. China und andere asiatische Länder, die bisher in der Motorentechnologie hinterherhinkten, wollen weltweit beim Elektroantrieb technologisch führend werden – so wie sie es heute schon in der Batterietechnik sind. Es ist aber wichtig, auch in Zukunft die Produktion rund ums Auto im Land zu halten. Doch dazu muss man eben die erforderlichen Technologien beherrschen.

Auch Reuss und den anderen Stuttgarter Kraftfahrzeugforschern ist klar, dass „wir eines Tags elektrisch fahren werden“. Aber das werde noch eine Weile dauern. Und deshalb hat der Verbrennungsmotor noch lange nicht ausgedient – das ist auch die Botschaft des diesjährigen Stuttgarter Autokongresses. Zumal es durchaus noch Einsparungspotenziale beim Spritverbrauch gibt: Reuss hält insgesamt eine Verbrauchsreduzierung von etwa 15 Prozent für realistisch.

Beim Scuderi-Motor liegt das Einsparpotenzial bei 25 Prozent

Ein noch größeres Einsparpotenzial sieht die amerikanische Scuderi-Gruppe, die auf dem Stuttgarter Symposium mit einem eigenen Stand vertreten ist. Sie wird dort ihren nach dem amerikanischen Ingenieur Carmelo Scuderi benannten Verbrennungsmotor vorstellen, der nach einem neuartigen thermodynamischen Verbrennungsprozess arbeitet.

Dabei werden die vier in einem Zylinder ablaufenden Arbeitstakte eines „normalen“ Benzin- oder Dieselmotors – Ansaugen und Verdichten sowie Verbrennen und Ausstoßen – auf je zwei Zylinder verteilt. Das in den späten 90er Jahren entwickelten und seither optimierte Triebwerk soll nach Angaben der Gruppe bis zu 25 Prozent weniger Treibstoff konsumieren als ein herkömmlicher Motor in einem Mittelklassewagen. Kombiniert man den Motor mit einem Druckluftspeicher, soll die Ersparnis gar bei 30 bis 36 Prozent liegen. Ob das allerdings alles auch im rauen Autoalltag funktioniert, muss sich erst noch zeigen.

Unter dem Stichwort Hybrid verbergen sich diverse Technologien

Immerhin zeigt der Scuderi-Motor, dass es beim scheinbar so ausgereiften Verbrennungsmotor immer noch Überraschungen geben könnte. Und er zeigt auch, dass sich mit der Kombination verschiedener Techniken bis jetzt ungeahnte Einsparpotenziale mobilisieren lassen. Unter dem Stichwort Hybrid verbergen sich inzwischen ganz unterschiedliche Technologien. Im Vordergrund steht dabei die Kombination von Elektro- und Verbrennungsmotor, wobei die Anteile der beiden Triebwerke und ihr Zusammenspiel auf ganz unterschiedliche Weise funktionieren können. Während diese Konzepte bisher nur mit Benzinmotoren verwirklicht wurden, wird nun der Dieselmotor „hybridfähig“. Und auch Erdgas- und Elektromotor werden kombiniert, so beispielsweise im Rahmen eines Forschungsprojekts am Stuttgarter FKFS. So kommen zu den klassischen Benzin- und Dieselmotoren inzwischen auch zunehmend Gasmotoren, Elektromotoren sowie Hybride aller Art hinzu. Die ersten nur mit Batterien betriebenen Serien-Elektroautos sind schon auf dem Markt. Demnächst werden noch die Brennstoffzellenfahrzeuge hinzukommen, die mit Wasserstoff an Bord den Strom für den Elektroantrieb produzieren und die ihre technische Alltagsfähigkeit schon bewiesen haben. „Wir leben in einem Zeitalter vieler Antriebssysteme“, konstatiert Reuss. Mit diesen zahlreichen, nebeneinander bestehenden Konzepten müsse man in nächster Zeit umgehen – also entsprechende Autos bauen, betreuen und auch warten.

Insgesamt wird diese Vielfalt bei den Antrieben das Auto in Zukunft noch komplexer machen als es ohnehin schon ist. Darin aber liegt auch das zentrale technische Problem: „Die Beherrschung der Komplexität ist eine riesige Herausforderung“, beschreibt Reuss – stellt aber gleichzeitig fest, dass auf diesem Gebiet bereits große Fortschritte gemacht wurden, etwa beim Testen von Komponenten und ganzen Systemen. Offen ist derzeit noch, welches Konzept sich in Zukunft durchsetzen wird. „Wenn Öl sehr teuer wird und wir viel bessere Batterien als heute haben, dann setzt sich vielleicht die Batterie durch“, meint Reuss. Doch seiner Meinung nach wird dies nicht bis zum Jahr 2020 und auch nicht bis 2030 der Fall sein.