"Immer da wo Du bist bin ich nie": Das Motto des Abends stimmt an diesem einen Abend nicht. Element of Crime sind im Theaterhaus. Oder ist etwa Ich ein Anderer?

Stuttgart - "Immer da wo Du bist bin ich nie": Das Motto des Abends stimmt an diesem einen Abend nicht. Element of Crime sind im Theaterhaus. Oder ist etwa Ich ein Anderer? Ihre Fragen sind so zeitgemäß wie ihre lyrischen Feststellungen, und sie sind ausverkauft. Eine Band, die seit 25 Jahren existiert. Das Modell einer Band. Element of Crime sind mehr als die Summe ihrer Teile. Genau das ist ihre Stärke. Obwohl ihr Kopf und Songschreiber Sven Regener mit seinen Büchern ein Star des Literaturbetriebs geworden ist und seine Geschichten verfilmt worden sind. Der große Tonangeber, im Lesebuch und Kanon des Bildungsbetriebs mittlerweile direkt neben Grönemeyer und Reinhard Mey.

Aber da ist keine Eitelkeit erkennbar auf der Bühne des Theaterhauses. Er sagt "Wir spielen jetzt das nächste Lied". Hebt die Arme und brüllt "Romantik!". Linkisch. Seine Band rumpelt und scheppert sich durch ihre Lieder, die sich nicht nur an diesem Abend oft gleichen. Sie sucht den Groove, und sie findet ihn nur bei einem Song. Rührend. Aber diese Musiker schaffen ihre eigene Welt, sie spielen sich gegenseitig Bedeutung zu mit ihren eigenen Zeichen. Mit ihrer Art des Ausdrucks. Beharrungsvermögen. Eigensinn. Identität. Persönlichkeit. Charakter. In dieser Form ist das ziemlich einmalig in der deutschen Pop- und Rockszene. Element of Crime haben ihr jüngstes Album in Nashville abgemischt, und es soll mehr nach Country klingen, heißt es. Aber der Gitarrist Jakob Friederichs ist nicht gerade ein genialer Countrypicker. Und Sven Regener mit seiner knarrzigen Erzählstimme zwischen Hilde Knef und Hans Albers ist nicht Johnny Cash. Indie oder Country? Ach, die Schubladen. Sie haben ihre eigene - sie sind Element of Crime.

Ihre Bühnenshow ist, gelinde ausgedrückt, eher statisch. Regener singt und spielt, die anderen spielen nur, basta. Zudem brennen auf der Bühne zweimal an diesem Abend ein paar Neonröhren, und beim Zugabenblock gehen fünf kleine Lichtlein an. Sonst nichts. Alle lieben sie dafür. Christian Komorowski heißt der Geiger, der oft die Parts von Regeners Trompete übernimmt, wenn der gerade nicht kann. Nicht besonders einfallsreich, das. Macht nichts. Einmal, auch im Zugabenblock, sind die Mundharmonika und die Trompete unisono geführt, was überraschend klingt. Das ist, streng genommen, der einzige musikalische Einfall. Ansonsten spielen Element of Crime so ziemlich den Songs entlang, die jeder von der Studioaufnahme her kennt.

Grenzen werden diesmal nicht überschritten


Es sind alle Songs von der neuen CD dabei. Dazu ein paar alte, auch in Englisch gehaltene, aus der Anfangszeit. Aber das heiße Bemühen früherer Jahre, auch musikalisch mal aus der Rolle zu fallen und wider den Stachel zu löcken, Grenzen zu überschreiten, Erwartungen zu widersprechen, das fehlt. Wie schwierig muss es wohl für Regener sein, immer das Image des Superpoeten der deutschen Popmusik auszufüllen? Seine Fans wollen von ihm stets neue großartige Bilder, Einfälle und Formulierungen. Andererseits vermuten sie überall Bedeutung und halten auch noch das Banalste für interessant. So etwas bedeutet wohl Kult und ist Mittel zur Abgrenzung. Nicht nur im Pop. Bescheidwissen ist alles.

Für ihn soll's aber Entgrenzung bedeuten. Unbedingt. Es ist ihm anzumerken. Sprechblasen der Phantasie steigen auf, "Tu die Hände ans Steuer, wir fahren im Kreis, glücklich ist der, der seinen Namen noch weiß". Das klingt gut und reimt sich. Und dann, als Ansage "Bis jetzt lief das schon ganz gut". Und "Wir machen noch ein Lied". Kontrapunkt mit Humor. Ein Bo-Diddley-Rhythmus von Regener, das geht immer. So etwas wie Verzierungen dazu an der Gitarre. Naja. Hm. Und dann immer wieder Regener mit seiner Trompete. Fast so gut wie Stefan Mross. Aber eigen. Kantig. Das mögen alle. Wer es gut mit ihm meint, unterstellt Mariachi-Einflüsse aus dem schönen fernen Mexiko. Texmex nochmal, da gehört aber auch ein Akkordeon dazu! Gab's bei ihnen früher auch manchmal. An diesem Abend muss es aber die Geige tun. Die Anspielungen beschränken sich aufs Poetisch-Textliche.

"Vielen Dank. Sehr stark", so die bescheidene Bühnenansage. "Deborah Müller" vom neuen Album. Lakonisch. Melancholisch. Genau wie "Kaffee und Karin": Der Rentner vom Nachbartisch, der "ungefragt schreit, dass er sechsundsiebzig schon Punk war und immer zum Pogo bereit". Ach, wie sich die Zeiten ändern. Die Punks sind Rentner geworden. "Schwere See", der Klassiker vom Album "Weißes Papier": "Ich will Dein fester Boden sein, obwohl ich selber schwanke". Dazu das gutmütige Gitarrengeschrammel. Eigentlich langatmig. Wie das Leben eben. Darin liegt auch Trost. Formale Abwechslung ist nicht ihre Stärke. Auch nicht von den Tempi her. Meist bläst der Wind in die Segel, so richtig los geht’s jedoch nicht. Aber sie sind zusammen und klingen so. Sie entführen ihr Publikum in ihre eigenen Bezüglichkeiten. Das ist tatsächlich stark.

Regener war mal Spargelkönig, so behauptet zumindest ein Vers von ihm. Als solcher muss er auch gutes Englisch können (im Gegensatz zu Ministerpräsidenten). Er singt also von "You broke my heart" und "Life is a mess", "I am paranoid" und etwas wie "all fucked up". O je. Lieber nicht übersetzen. Sein Kopf wird dazu grün, weil von unten angestrahlt. Ein seltener Effekt. Am Ende "Vielen Dank, ihr Lieben. Auf Wiedersehen. Nehmt die Straßenbahn". Ein Rat. Ein Tipp. Das nach einem Song wie "Bitte bleib bei mir" und Zeilen wie "Wenn eine Straßenbahn aus der Schiene springt, kommt sie nie wieder. Und wenn ein Kontrolleur dich laufen lässt, tut er das auf eigene Faust". Aber das ist ja Poesie.

Bei den besten Alben des vergangenen Jahrzehnts haben es Element of Crime auf Platz 40 geschafft. »