An diesem Donnerstag startet ZDF Neo die Sitcom „Ellerbeck“. Cordula Stratmann spielt darin eine Erzieherin, die gemeinsam mit anderen Ellerbeckern gegen eine Mastanlage protestiert.

Stuttgart - Woran es liegt, dass Sitcoms made in Germany anders als die amerikanischen hierzulande kein Massenphänomen sind? Cordula Stratmann hat da eine diskussionswürdige Erklärung: „Ich glaube, das liegt daran, dass wir in Deutschland ungern der Unterhaltung den Wert zuschreiben, den sie hat.“ Gute, intelligente Unterhaltung ist in den Augen der Unterhaltungskünstlerin, wen wundert’s, „die Königsdisziplin“. In jeder Komödie gehe es schließlich auch „um das Ringen um Würde“. Um „zutiefst ernsthafte und ernst zu nehmende Konflikte“.

 

„Leider“, seufzt Frau Stratmann in die Stille eines Kölner Hotels hinein, „kapieren das die Feuilletonisten in Deutschland nicht. Sie denken: Nur das Drama ist ernst. Das Lustige ist, hahaha, einfach nur lustig. Da kann ich nur sagen: Liebe Bewerter, das ist ein bisschen schmal gedacht.“

Also gut. Denken wir bei „Ellerbeck“ etwas breiter. Ist diese neue Sitcom mit Cordula Stratmann als Star mehr als nur hahaha? Sie ist es, sofern man ernst nimmt, worüber sich die Serie lustig macht. All die so genannten Wutbürger, die beispielsweise Energie aus Windkraft befürworten, solange die Rotoren der Anlage nicht gerade die eigene Heimat verschandeln, dürfen sich hier angesprochen fühlen. Denn Stratmann führt in „Ellerbeck“ eine Protestbewegung dieses Schlags an. Und der Zuschauer kapiert schnell, dass dieses Grüppchen mit seinem von Egoismen getriebenen Engagement nicht so heldenhaft wegkommt, wie es sich selber gerne sieht. Eine geplante Schweinemastanlage im fiktiven Städtchen Ellerbeck im Emsland treibt die Bürgerinitiative „Mast not be!“ auf die Barrikaden. Ihre Waffen sind Miss-Piggy-Masken, gepaart mit vollem Körpereinsatz, was zur Folge hat, dass es bei einem offiziellen Termin des Bürgermeisters gleich zu einer doppelten, sehr unvorteilhaften Entblößung kommt . . .

Auch Gurken-Truppen können eine Schlacht gewinnen

„Das war scheiße“, stellt die von Stratmann naiv, aber engagiert gespielte Erzieherin Sabine Ebert bei der anschließenden Manöverkritik im griechischen Stammlokal fest. Die männlichen Protestler lassen sich derweil das Gyros schmecken, natürlich aus Schweinefleisch. Dennoch hat diese Gurken-Truppe Erfolg. Sabine Ebert schafft es bei den Wahlen bis ins Bürgermeisteramt, was selbst sie überrascht: „Wenn das Politik ist? Pfff.“ Und es deutet sich bei diesem Cliffhanger der ersten Episode an, dass die maximal motivierte Novizin Politik sehr wahrscheinlich nicht mehr so leicht auf die Schulter nehmen wird.

Humor, das weiß nicht nur der für „Ellerbeck“ verantwortliche ZDF-Redakteur Stephan Denzer, ist „ein Risikogeschäft“, weil er polarisiert und selten den Geschmack der Masse trifft. Und so wird es Zuschauer geben, denen die Gratwanderung zwischen bravem Klamauk und seriöser Politikerbeschimpfung in dieser Stratmann-Sitcom nicht gefällt. Dennoch macht die erste Folge „Ellerbeck“ neugierig, weil man schon wissen möchte, wie sich a) die Hauptfigur Sabine Ebert als Politikerin schlägt und b) wie das ZDF die Herausforderung wuppt, ein hierzulande vernachlässigtes Genre zu etablieren.

Deutschland, einig Humorentwicklungsland

„Die Amerikaner“, gibt der ZDF-Mann Denzer neidlos zu, „legen natürlich einen hohen Standard bei Sitcoms vor“. Deutschland sei dagegen noch ein „Humorentwicklungsland. Daran müssen wir arbeiten.“ Nicht gerade hilfreich dürfte bei diesem Arbeitsprozess sein, dass die ZDF-Chefs sehr darauf achten, ob den Zuschauern das Experiment deutsche Sitcom gefällt. Anders als die Nachrichten oder eine Kultursendung wie „Aspekte“ stehen Sitcoms nicht unterm Schutzschirm des öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrags, wie Stephan Denzer beklagt: „Schade.“

Und dann kommt der selbst ernannte „Sitcom-Freak“ vom Lerchenberg ins spinnen: „Wäre es nicht ein schöner Gedanke, wenn wir die Pflege des Humors ins Grundgesetz aufnehmen könnten? ,Jeder hat das Recht, über sich und das Leben zu lachen. Der Staat ist verpflichtet, seinen Bürgern mit Sitcoms die Leichtigkeit und Freude des Seins vor Augen zu führen.‘ Ich fände es gut“, sagt Denzer.

„Ellerbeck“ ist jedenfalls schon mal ein viel versprechender Testballon.