„Greatest Hits live“ nennt Elton John seine Tour, mit der er auch in der Stuttgarter Schleyerhalle Station gemacht hat. Eine routinierte Show eines routinierten Weltstars.

Stuttgart - Oft sind es ja die Kleinigkeiten, die aus etwas Gutem etwas wirklich Gediegenes machen. Die Krawatte etwa, die der Schlagzeuger Nigel Olsson trägt und das Jackett, das er den ganzen Abend nicht ablegt: zweierlei, was bei Rockkonzerten in der Schleyerhalle eher selten zu beobachten ist. Oder die herzliche Art, mit der dieser Schlagzeuger von Elton John vorgestellt wird: „Mein Drummer seit 1969“, sagt Elton John ganz beiläufig, ehe sich Olsson am Sonntagabend seinen hochberechtigten Beifallssturm von den achttausend Besuchern abholen darf. Oder die kleine Windmaschine, die das Haar des Saitenkünstlers Davey Johnstone kess um dessen Schultern wehen lässt, der „seit 42 Jahren mein Gitarrist ist“, wie Elton John nochmals ganz beiläufig erzählt. Oder die Akribie, mit der Elton Johns riesiger Yamaha-Flügel zuvor so sehr poliert worden sein muss, dass der Kavierlack glänzt, als sei das Instrument soeben erst aus dem Laden geschoben worden.

 

Es sind diese Kleinigkeiten, die ja zudem nur Äußerlichkeiten sind, die dem Konzert ein Sahnehäubchen aufsetzen. Denn die großen Dinge funktionieren ja ohnehin. Nigel Olsson hat einen zweiten Drummer und Perkussionisten an die Seite gestellt bekommen, der das Rhythmusfundament noch druckvoller und durch die Perkussionsinstrumente noch filigraner erscheinen lässt. Es ist ein Bassist dabei, der das Gerüst legt, und ein Keyboarder, der einen zugegebenermaßen etwas undankbaren Job hat, diesen aber mit der gleichen Routine, Souveränität und Spielfreude erledigt wie die beiden Urgesteine an Gitarre und Schlagzeug.

Undankbar ist der Job des Keyboarders, weil den Sound im Ganzen natürlich Elton Johns Piano überstrahlt. Es ist eine Augenweide, den 67-Jährigen in seinem Glitzerfrack spielen zu sehen. Kaum zu glauben, was die – ähem – nicht gerade filigranen Pianistenhände, die von einer vorzüglichen Bildregie des öfteren auf die zwei üppigen Videowände projiziert werden, in die Tasten drücken können: Sie wuseln, fliegen, nein, rasen in den flotten Passagen über die Tastatur. In den ruhigen Momenten hingegen setzt der britische Star auf mächtige Akkorde, die auch mächtig laut aus den Lautsprechern dröhnen, wirklich nur ganz knapp die Grenze der zu großen Livelautstärke unterschreitend. Er ist, und das stellt er bestens unter Beweis, einer der besten, wenn nicht sogar der beste unter allen Poppianisten.

Angekündigt ist die Tournee, auch weil Elton John kein aktuelles Album vorzustellen hat, als „Greatest Hits Tour“. So etwas setzt logischerweise voraus, dass man über einen Sack voll davon verfügt. Das tun selbst unter den größten Stars und Bands nur wenige, aber Elton John zählt zweifelsohne zu ihnen. Zum Aufwärmen spielt er in Stuttgart „Funeral for a Friend/Love lies bleeding“ und „Bennie and the Jets“, dann kommt auch schon der erste ganz große Kracher. „Candle in the Wind“, eigentlich als Hommage an Marilyn Monroe gedacht, aber berühmt geworden in der traurigen Variante, zu der er das Lied anlässlich von Lady Dianas Tod 1997 umschrieb.

Elton John präsentiert sie in der Schleyerhalle in einer etwas entschlackten Version mit etwas höherem Tempo, und das tut dem Stück sehr gut. Somit wären die ersten drei Lieder des Albums „Goodbye yellow Brick Road“ komplett, und überhaupt scheint er an dieser 1973 erschienenen Platte ganz besondere Freude zu haben. Gleich darauf folgt nämlich von diesem Album noch „All the Girls love Alice“, später dann der gleichnamige Titelsong und als die zwei letzten Stücke vor der Zugabe „Your Sister can’t twist (but she can Rock’n’Roll)“ sowie der Klassiker „Saturday Night’s alright for fighting“ – nochmal zwei Stücke, die auf dem Album ebenfalls direkt aufeinander folgen. Das kann kein Zufall sein.

Das Album darf man zu Johns Frühwerk zählen, weil es schon vier Jahre nach seinem Debüt mit „Empty Sky“ erschien. Trotzdem ist es bereits sein siebtes Studioalbum gewesen. Das allein zeigt, was für ein unglaublich kreativer Musiker er noch immer ist, aber vor allem in jener Zeit gewesen ist. Schon auf seinem zweiten Album, „Elton John“ von 1970, befindet sich zum Beispiel „Your Song“, ein Evergreen bis heute, der in der Schleyerhalle natürlich ebenfalls auf dem Programm der „Greatest Hits“ nicht fehlen darf.

Den Kontrast zu den rockigeren Stücken setzt Elton John mit seinem größten Markenzeichen: den Balladen. Diese wandeln teilweise bekanntlich hart an der Grenze zur Schnulze (und überschreiten sie bisweilen sogar ein klitzekleines Bisschen), sind aber nun mal sein größtes Kapital. Wenn man zwei von ihnen in der Schleyerhalle hört – „Sad Songs (say so much)“ und „Sorry seems to be the hardest Word“ –, dann weiß man auch, warum. Ergriffene Stimmung im weiten und bestuhlten Rund, Wehmut, Reumut vielleicht sogar, wegschweifende Gedanken paaren sich mit Wiederhörensfreude.

Elton John findet in einer auch optisch bestens choreografierten Show die Mischung zwischen den verschiedenen Tempi, und er macht zwar nicht übermäßig viele Ansagen, aber doch die Tournee-Ansage mit den „Greatest Hits“ wahr. Kein einziges Stück von seinem bisher letzten, auch gerade mal ein Jahr alten Album „The Diving Board“ gibt es zu hören, umgekehrt nahezu alles, was sich auch auf seinem zwölf Jahre alten Greatest-Hits-Album befindet. Also auch noch „Don’t let the Sun go down on me“, „Daniel“ und „Philadelphia Freedom“ sowie selbstverständlich „Rocket Man“, „I’m still standing“ und – wie immer als erstes Lied der kleinen Zugabe – „Crocodile Rock“. Zum Abschied spielt er solo am Flügel „Circle of Life“, nach wie vor angetan mit seinem paillettenbesetzten Glitzerfrack.

Und so schließt sich der Kreis für diesen schillernden Superstar, der sich nach fast jedem Song vom Pianoschemel erhebt, huldvoll in die Menge grüßt, die ihn wiederum stürmisch bejubelt. Pünktlich mit dem Gongschlag um 22 Uhr ist Schluss, der Flieger wartet, der John – wie bei jedem Konzerte auf dem Kontinent – noch am Abend wieder ins heimische Bett bringt.

Den ökologischen Schuhabdruck möchte man lieber nicht sehen. Aber es sind große Fußstapfen, die dieser Mann hinterlassen hat. Und hinterlässt. Denn vom Ruhestand scheint er nichts zu halten. Das Stuttgarter Konzert war sein letzter Auftritt in Deutschland, es folgen noch vier Termine in Europa, ein Galakonzert an Silvester in New York und dann der Startschuss zu einer Reihe von 23 (!) Konzerten im Caesars Palace in Las Vegas. Aber da soll man ja ganz vorzüglich übernachten können.