Daimler hat vergeblich versucht, die Luxusmarke Maybach mit viel Geld aufzupolieren. Jetzt ist endgültig Schluss.

Stuttgart - Elefanten sterben einsam – auch automobile Elefanten. Ein Maybach kann, je nach Ausstattung, mehr als sechs Meter lang sein und fast drei Tonnen wiegen. Der Kraftprotz wird von einem Motor angetrieben, dessen stärkste Version mehr als 600 Pferdestärken hat. Am 17. Dezember ist im Daimler-Werk Sindelfingen das letzte Exemplar dieser Luxusmarke produziert worden. Keine Pressemitteilung verkündet das Ende. Erst auf Nachfrage wird das präzise Datum genannt. Fast scheint es, als wolle der Autobauer den Schlusspunkt eines wenig ruhmreichen Kapitels der Unternehmensgeschichte verschweigen.

 

Wie anders hatte es begonnen. Mit viel Pomp und lautem Trommelwirbel hatte Daimler vor einem Jahrzehnt die Marke Maybach wiederbelebt. Einst galten Automobile mit dem Markenzeichen MM (Maybach-Motorenbau) als Pendant zu RR (Rolls-Royce). In den zwanziger und dreißiger Jahren ließ sich die Crème de la Crème in den imposanten Wagen chauffieren, die nach Wilhelm Maybach benannt waren, der als „König der Konstrukteure“ galt. An diese glorreiche Tradition wollte der Stuttgarter Konzern anknüpfen – und dafür war nichts zu teuer.

„Ultimativer Luxus“

Auf dem Sonnendeck des Ozeanriesen Queen Elisabeth 2 reiste der Maybach vor zehn Jahren in einem gläsernen Container zur Premiere nach New York. Ein Hubschrauber hievte das teure Stück in Manhattan von Bord. Eine Polizeieskorte begleitete die Luxuslimousine durch die Häuserschluchten zur Wall Street, ins Herz des wichtigsten Finanzzentrums der Welt.

Auch bei Verkauf und Service sparte Daimler an nichts. In Sindelfingen entstand das Center of Excellence – weitaus mehr als ein gewöhnliches Autohaus. Das Ambiente sollte „ultimativen Luxus“ verkörpern, wie Mercedes-Vertriebschef Joachim Schmidt schwärmte.

Rechts vom Eingang führten Treppenstufen hinauf zum „Maybach-Atelier“. Dort standen zwei der wuchtigen Limousinen. In die Decke waren milchig-weiße Scheiben wie Heiligenscheine eingebaut. Hier konnten die Wagen ins rechte Licht getaucht werden. Auf Knopfdruck ließ sich so etwa die Morgendämmerung und ein Sonnenuntergang simulieren oder überprüfen, ob der Lack auch an einem trüben Tag in London gefällt.

Illusorische Kalkulation

Auf Knopfdruck öffnete sich dann eine acht Meter lange schwarze Glaswand, hinter der sich Muster der unterschiedlichsten Lacke, Hölzer und Leder befanden, die der Kunde nach Lust und Laune kombinieren konnte. Persönliche Kundenberater, Personal Liaison Manager genannt, kümmerten sich nach dem Kauf auf Wunsch nicht nur um Termine für Ölwechsel oder neue Winterreifen, sondern besorgten auch Karten für die Oper oder für ein Autorennen.

Bis zu 1000 Autos der Marke Maybach wollte der Autokonzern im Jahr verkaufen. Doch dies erwies sich als Illusion. Nach einer Kalkulation des Instituts für Automobilwirtschaft (Ifa) in Geislingen hätten mindestens 1500 Wagen verkauft werden müssen, um eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals zu erreichen. Daimler machte mit den Luxuswagen nur Verluste. Im ersten vollen Verkaufsjahr wurden nur 600 Autos abgesetzt, im Jahr darauf nur 500, später waren es lediglich 200. Ende vergangenen Jahres kündigte Daimler-Chef Dieter Zetsche schließlich an, dass die Produktion eingestellt wird.

Im Kräftemessen mit BMW ist das eine Niederlage. Denn die Münchner fahren mit ihrer Luxusmarke Rolls-Royce auf der Erfolgsstraße. Im vergangenen Jahr kletterte der Absatz von Rolls-Royce um rund 30 Prozent auf 3538 Wagen – ein Rekord in der mehr als hundertjährigen Geschichte der Nobelschmiede. In diesem Jahr soll dieser Spitzenwert zumindest gehalten werden.

Nur neureiche Chinesen brachten einen Impuls

Willi Diez, der Chef des Instituts für Automobilwirtschaft in Geislingen, hat das Maybach-Experiment von Anfang an skeptisch verfolgt. Daimler habe es einfach nicht geschafft, die historische Marke Maybach, deren Glanzzeit zu lange zurückliege, auf eine Ebene mit Rolls-Royce zu bringen, resümiert Diez heute. Zudem sei der Markt im Topsegment der Luxusklasse, wo sich Maybach bewege, sehr überschaubar. Nur die neuen chinesischen Reichen hätten hier in den vergangenen Jahren einen gewissen Impuls gebracht.

Den Großteil des Wachstums von Rolls-Royce, so Diez, bringe nicht der Phantom, der wie der Maybach im Topsegment (ohne Steuer durchschnittlich 400 000 bis 500 000 Euro) angesiedelt ist, sondern der darunter positionierte Ghost, bei dem die Preisliste ohne Steuer bei etwa 300 000 Euro beginnt. Mit dieser zusätzlichen Modellreihe habe Rolls-Royce weitere Käuferschichten erschließen können. Maybach sei dieser Weg versperrt gewesen, weil ein „Maybach light“ der S-Klasse geschadet hätte. Zudem bemängelt Diez, dass dem Maybach die modellpolitische Eigenständigkeit gefehlt habe. Während sich die Formensprache, Anmutung und Ausstattung eines Rolls-Royce sehr klar von einem Siebener-BMW unterscheide, sei ein Maybach zwar ein sehr gutes Auto, aber immer auch irgendwie ein Mercedes gewesen.

In der Kundenkartei von Maybach stehen viele Unternehmer, aber auch zahlreiche Promis aus der Unterhaltungsbranche: der TV-Entertainer Thomas Gottschalk, der US-Talkmaster Jay Leno, die Rapper Jay-Z und Kanye West. Der Rapper Rick Ross hat nach dem Namen der Automarke sogar sein Plattenlabel Maybach Music Group (MMG) benannt.

Selber fahren macht auch Spaß

Hans Peter Stihl, Seniorchef des Waiblinger Motorsägenherstellers Stihl, fährt bereits sein zweites Exemplar. „Der Maybach war ein überzeugendes Angebot: groß, bequem, leistungsfähig. Der Luxus war für mich zweitrangig“, erläutert der Unternehmer seine Motive für die Anschaffung des Wagens. Unter der Woche sei er viel geschäftlich mit einem Chauffeur unterwegs. Da könne er im Fond normal arbeiten. „Am Wochenende, wenn ich das Auto privat nutze, fahre ich selbst. Das macht auch Spaß“, meint der 80-Jährige.

Einerseits findet es Stihl schade, dass die Produktion gestoppt wurde. „Die enormen Aufwendungen, die Daimler gehabt hat, um die Marke wieder bekannt zu machen, hätte man sich ja eigentlich sparen können.“ Andererseits freut er sich, weil er nun ein Auto fährt, das nicht mehr gebaut wird. „Angesichts der überschaubaren Stückzahlen, die produziert worden sind, dürfte es eher noch an Wert gewinnen“, meint Stihl. Er hält es für einen Fehler, dass Daimler die verstaubte Marke aufpolieren wollte, statt auf den starken Namen Mercedes zu setzen. „Die Marke Mercedes hätte sich zu diesem Fahrzeug bekennen müssen. Dann hätte das Unternehmen viel mehr Autos verkaufen können.“

Rolls-Royce spielt in einer anderen Liga

Diesen Weg will Daimler nun einschlagen. Von der neuen S-Klasse von Mercedes-Benz, die im nächsten Jahr auf den Markt kommt, soll es nicht nur wie bisher die normale Variante, eine Langversion und ein Coupé geben, sondern drei zusätzliche Modelle. Doch kann damit die Lücke im Topsegment geschlossen werden? Der Autoexperte Diez meint, dass die Marke mit dem Stern hier an Grenzen stoßen werde. Die S-Klasse sei in der Regel ein Geschäftsauto. Da zähle Komfort und Leistung, aber auch ein gewisses Understatement.

Mit zusätzlichen Varianten könne Mercedes in die Preisklasse von 300 000 Euro bis 350 000 Euro vorstoßen und damit auch Luxuswünsche von Scheichs, russischen Oligarchen oder chinesischen Neureichen befriedigen. Daimler sollte sich jedoch davor hüten, mit einer aufgewerteten S-Klasse Rolls-Royce Paroli bieten zu wollen. „Rolls-Royce spielt einfach in einer anderen Liga“, urteilt der Chef des Ifa-Instituts und verweist auf den Nimbus und die Historie der Marke. „Kein Hersteller der Welt“, so Diez, „wird – mit welchem Produkt auch immer – Rolls-Royce vom Thron stoßen können.“