In Stuttgart bewerben sich sechs Energieunternehmen um den Betrieb der Stromnetze. Doch Experten raten Kommunen eher davon ab, das Stromnetz zurückzukaufen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - In Stuttgart haben sich sechs Energieunternehmen um den Betrieb der Stromnetze von 2014 an beworben – einer der heißesten Anwärter sind sicherlich die Stadtwerke Stuttgart. Doch in die entscheidende Phase des Verfahrens platzt eine Studie der Hamburger Unternehmensberatung Putz & Partner, die ein ernüchterndes Fazit zieht: Von den zehn wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Zielen, mit denen Kommunen den Kauf der Konzession begründen, sei nur ein einziges erreichbar. „Eine Rückführung der Stromverteilnetze ist grundsätzlich nicht sinnvoll“, lautet das Fazit.

 

Hoffnung auf sinkende Strompreis ist vergebens

Das Unternehmen hat bei der Studie mit der Hamburg School of Business Administration zusammengearbeitet und ist auf den ersten Blick nicht verdächtig, parteiisch zu sein: Unter den Kunden sind große Stromkonzerne, aber auch einige Stadtwerke. Und das sind die Argumente. Das Ziel, die Energiewende voranzutreiben, könne durch den Besitz des Stromnetzes nicht erreicht werden, heißt es. Denn jeder Netzbetreiber sei gesetzlich verpflichtet, Anlagen, die grünen Strom produzieren, vorrangig anzuschließen; auch die Preise seien festgelegt. Die Sicherheit der Versorgung werde ebenfalls nicht erhöht, da die bisherigen Netzbetreiber – meist die großen Stromkonzerne – bereits eine sehr hohe Qualität vorweisen könnten. Es seien eher die kommunalen Betriebe, die nach unten vom bundesweiten Mittelwert abwichen. Der Strompreis sinke ebenfalls nicht, wenn eine Kommune oder deren Stadtwerke das Netz betreibe. Denn die Kosten des Verteilnetzes machten beim Preis nur 20 Prozent aus; zudem habe die Bundesnetzagentur jeweils einen maximalen Erlös definiert. Fraglich sei zumindest, ob die lokale Wirtschaft bei einem kommunalen Betreiber profitiere, denn die Vergaberichtlinien seien sehr streng.

Nur bei der Infrastruktur kommt die Studie zu dem Schluss, dass eine Kommune Vorteile haben könnte. Beim wirtschaftlichen Ziel, mit den Netzen Geld zu verdienen, rät die Studie zumindest zur Vorsicht: Je nach Höhe des Eigenkapitals liege die Rendite zwischen 2,87 und 5,8 Prozent. Allerdings müsse das Verteilnetz in den nächsten Jahren stark ausgebaut werden, was hohe Investitionen erfordere – die Rendite sinke deshalb eher.

Föll: Für Stuttgart trifft die Studie nicht zu

Auch einige Energieexperten, die Putz & Partner interviewt hat, bestätigen den Trend der Studie. Esslingens OB Jürgen Zieger, der sich selbst als Pionier der Energiewende sieht, propagiert schon länger genau diese Ansicht: Er überlässt den Betrieb der Netze lieber dem Neckar-Elektrizitätsverband, an dem die Energie Baden-Württemberg (EnBW) mit 49 Prozent beteiligt ist – Esslingen kassiert für die Konzession eine hohe Summe.

Michael Fuchs vom Vorstand des Stuttgarter Bürgervereins „Kommunale Stadtwerke“ und Michael Föll, der Aufsichtsratsvorsitzende der Stadtwerke Stuttgart, haben oft sehr unterschiedliche Ansichten, was die Energiewende anbelangt. In Bezug auf die Hamburger Studie sind sie sich allerdings einig: Auf Stuttgart träfen viele Kritikpunkte schlicht nicht zu.

Studie sieht keine Renaissance der Stadtwerke

So sei die wirtschaftliche Situation in Stuttgart anders. Das Verteilnetz in der Stadt sei klein, habe aber viele Endkunden – es sei deshalb eines der lukrativsten Netze in Deutschland. Zudem kann der Kauf aus den Rücklagen gestemmt werden, die bei der Veräußerung der NWS-Aktien an die EnBW gebildet wurden. Die Stadt braucht kein Fremdkapital: „Wir haben alle Möglichkeiten“, bestätigt Michael Föll. Der Verband kommunaler Unternehmen hält bundesweit Margen bis zu neun Prozent für realistisch. Daneben hält es Föll sehr wohl für möglich, mit dem Netz die Energiewende zu befördern. Die Stadtwerke könnten selbst entscheiden, wo sie beim Ausbau Schwerpunkte legten und so energiepolitische Akzente setzen. Und: Föll ist der Meinung, dass der Strompreis für den Endkunden sinken könne. Die EnBW gehe von einer Mischkalkulation aus, teure ländliche und günstigere städtische Netze kommen bei den Kosten in einen Topf. Die Stadtwerke seien aber nur für Stuttgart zuständig und könnten so den Endpreis senken. Allerdings rechnen die Experten bundesweit eher mit steigenden Preisen, da der Netzausbau viel Geld kostet.

Übrigens räumt die Studie noch mit einer anderen Einschätzung auf: Die vielfach verkündete Renaissance der Stadtwerke in Deutschland finde so gar nicht statt. Seit 2007 habe es etwa 60 Neugründungen gegeben; 170 Städte hätten ihr Verteilnetz zurückgekauft. Bei mehr als 6000 ausgelaufenen Konzessionen sei dies ein sehr geringer Anteil. Meistens behält tatsächlich der große Stromkonzern die Konzession. Das ist, wen wundert’s, auch das Ziel der EnBW in Stuttgart.